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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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nicht, was passiert ist. Vielleicht hatte sie ein schwaches Herz. Vielleicht war es das Koks.«
    Nathan würgte, doch diesmal kam nur Magensäure hoch. »Das darf alles nicht wahr sein.«
    »Wir konnten das nicht ahnen.«
    »Aber es war nicht meine Schuld.«
    »Das wissen wir nicht. Nicht sicher. Was, wenn es die Drogen waren? Was, wenn du ihr Drogen gegeben hast, die sie umgebracht haben?«
    »O Gott. Was sollen wir nur machen?«
    »Wir legen sie in den Kofferraum. Dann fahren wir zurück zur Party.«
    Nathan ließ den Kopf in die Hände sinken und stöhnte.
    »Ich sage, dass ich dich aufgelesen habe«, schlug Bob vor und schaute nun auf. »Ich sage, dass ich dich am Straßenrand aufgelesen habe. Du hattest Sara mit diesem Mark tanzen sehen. Mit ihm flirten, was auch immer. Du warst betrunken und angepisst. Du wolltest ins Dorf laufen, um ein Taxi nach Hause zu nehmen. Du wusstest nicht, wie weit es war und wie kalt. Ich bin auf dem Nachhauseweg. Ich sehe dich, halte an. Wir parken am Straßenrand, reden über Sara, die Liebe und den Sinn des Lebens. Alles klar? Ich überrede dich zurückzugehen, dich bei ihr zu entschuldigen. Jetzt fahren wir also zurück. Wir bleiben eine halbe Stunde auf der Party, und dann musst du – das musst du auf jeden Fall – mit Sara einen Streit anfangen, denn dann stürmst du raus, und das bekommen alle mit. Ich komme dann nach. Ich sage, dass ich dich nach Hause fahre. Und dann fahren wir hierher zurück. Und beseitigen sie.«
    In Nathans Innerem schwoll Panik an, eine gewaltige Welle, und schwoll wieder ab.
    »Ich kann das nicht machen.«
    »Du musst.«
    »Ich kann nicht.«
    »Hast du vielleicht eine bessere Idee?«
    »Ich kann nicht klar denken. Ich bin total high. Ich hatte zu viel Koks.«
    »Du hast jetzt keine Zeit, um klar zu denken. Wir müssen zurück zur Party. Wir müssen die zeitliche Abfolge durcheinander bringen.«
    »Welche zeitliche Abfolge?«
    »Wann wir bei der Party waren, und wann sie da war. Niemand hat euch zusammen reingehen sehen, niemand hat sie mit dir weggehen sehen. Deshalb müssen wir zurück zur Party. Und wir müssen auf der Party gesehen werden. Alle müssen uns sehen. Wie wir uns ganz normal verhalten.«
    Dinge bewegten sich am Rand von Nathans Gesichtsfeld. Er wagte nicht hinzuschauen.
    Er konnte sich nicht mehr an sein Leben vor diesem grässlichen alten Volvo erinnern, sein Leben vor Charlie Parker im CD-Player, sein Leben vor Elise.
    »Ich kann nicht hierher zurückkommen.«
    »Wir müssen. Denn fast niemand kennt diesen Ort.«
    Die ganze Zeit über hatten sie sich nicht in die Augen gesehen. Nun drehte sich Nathan auf dem Sitz um.
    »Man wird uns erwischen.«
    »Nein, das wird man nicht. Wir müssen nur die nächsten paar Stunden durchstehen. So schlimm wie jetzt wird es nie wieder. Das verspreche ich dir. Das hier ist das Schlimmste.«
    Bob öffnete die Tür und stieg mühsam hinaus in die kalte Nachtluft. Er stand eine Weile da und blickte hoch zu den Sternen, sein Atem dampfte.
    Nathan hatte sich bald zu ihm gesellt.

8
    Nathan war sicher, dass Mark Derbyshires Haus sich verändert haben musste. Es würde gealtert und von Efeu umrankt sein, als wären hundert Jahre vergangen. Die Gäste würden tief schlafen und sich erst rühren, wenn er Sara gefunden und mit einem keuschen Kuss geweckt hatte.
    Aber das Haus hatte sich nicht verändert und die Zeit hatte keinen Sprung gemacht. Es war noch dieselbe Party im Gange, mit denselben Leuten.
    Bob parkte den Volvo in der Kieseinfahrt, und sie gingen auf den Eingang zu. Derselbe Butler nahm ihre Mäntel entgegen. Nathan fühlte sich schmutzig, als seien seine Kleider und Haare und Augen und Ohren mit Schlamm und Scheiße und Blut und Sperma verschmiert, aber er sah lediglich zerzaust und müde aus, als wäre er auf dem Rücksitz eingeschlafen.
    Als er dem Portier seinen Mantel reichte, stieg ihm ein Hauch von Elises Parfüm in die Nase: etwas Junges und Reines, der Geruch von schläfrigen, sonnigen Nachmittagen, der Geruch von Gelächter an englischen Strandpromenaden.
    Bob folgte ihm in den Ballsaal, und Nathan war sicher, die Gäste würden sofort einen Kreis um ihn bilden und ihn im Chor anklagen. Aber es bildete sich kein Mob. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, zu »Waterloo« zu tanzen.
    Er holte sich einen Drink. Er musste die Bestellung dreimal wiederholen, seine Stimme versagte. Er trank ihn in einem Zug aus und bestellte noch einen. Diesmal ohne Tonic.
    Er folgte dem Chlorgeruch zum Pool.

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