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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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oder in was er sich verwandelt hatte, als er einen Moment lang von sich selbst losgelöst gewesen war.

    Er duschte eilig, weil er stank, rasierte sich aber nicht. Er griff nach einer Jeans, einem anderen Band-T-Shirt und einer karierten Fleecejacke. Er stopfte seinen ruinierten Anzug und seine Schuhe und seinen Kaschmirmantel in eine Plastiktüte und suchte seinen Hausschlüssel. Dann ging er zum ersten Mal hinaus, seitdem er dieses Etwas geworden war – was immer das auch war. Er musste im Treppenhaus halt machen, bis die Panik vorbeiging.
    Der Lärm und die Luft des Montagmorgens. Er zog die Jacke enger um sich. Draußen waren Busse und Autos und Menschen. Sie glitten an ihm vorbei. Er ging fast einen Kilometer. Seine Hände waren eiskalt, an den Fingerknöcheln rot und rau. Er lief an der 24-Stunden-Tankstelle und den Mini-Supermärkten vorbei. Dann bog er in die Hauptstraße ein. Er ging in den Wohlfahrtsladen neben der Reinigung und gab die Plastiktüte mit den Kleidern ab, die er am Samstagabend getragen hatte. Dann ging er in den Kiosk nebenan.
    Die Frau hinter dem Ladentisch war nervös und groß und dünn. Sie war leicht geisteskrank – Nathan hatte aufgehört, seine Zeitungen dort zu kaufen, weil sie ihn manchmal beschimpfte und den Gemeinderat oder die Königsfamilie oder die Polizei verdächtigte, sie zu überwachen und ihre Gedanken zu kontrollieren. Aber jetzt machte sie ihm keine Angst.
    Er kaufte die Times , den Guardian , einen Daily Mirror , die Sun und vierzig Zigaretten. Er steckte sich die Zeitungen unter den Arm, verließ den Laden und ging ins Moonshine Cafe .
    Auf der anderen Straßenseite wurde eine Volkshochschule gebaut, und das Café war voll mit Bauarbeitern in dreckigen Jeans und Arbeitsschuhen mit freiliegenden Stahlkappen. Nathan bestellte sich eine Tasse Tee und ein traditionelles englisches Frühstück.
    Er setzte sich an einen freien Resopaltisch und schlug den Mirror auf. Er blätterte ihn durch, suchte nach einer Meldung über Elise. Mädchen wurden vermisst, aber sie war nicht darunter. Er schlug den Guardian auf und blätterte ihn ebenfalls durch. Und die Sun und die Times .
    Das Frühstück kam. Er schob es auf dem Teller hin und her und zwang sich, einen Bissen Rührei zu essen, das die Konsistenz von Meeresfrüchten hatte. Sein Körper sträubte sich dagegen, er legte die Gabel auf dem Tellerrand ab. Er trank ein paar Schluck Tee und versuchte Zeitung zu lesen, aber er konnte sich nicht auf die Worte konzentrieren. Er ließ zwei Zeitungen für die Bauarbeiter liegen und steckte die anderen beiden in die Innentasche seiner Jacke. Er zündete sich eine Zigarette an. Ihm wurde übel vom Nikotin und schwindelig. Er ging nach Hause.
    Die Wohnungstür starrte ihn kalt an. Er kam sich wie ein Einbrecher vor. Das war Saras Zuhause. Er fragte sich, wie er eine andere Wohnung finden sollte.

    Um drei Uhr nachmittags, als die Sonne tief am Himmel stand und blendete, hastete er durch die Wohnung und machte die Lampen an. Er schaltete den Fernseher ein und saß davor, ohne etwas mitzubekommen, bis es Zeit war, zur Arbeit zu gehen.
    Er duschte noch einmal und beeilte sich noch mehr als beim ersten Mal. Er zog den Duschvorhang nicht zu, weil er Angst hatte, jemand könnte dahinter stehen und ihm auflauern, wenn er ihn wieder aufzog.
    Nachdem er sich abgetrocknet hatte, fühlte er sich noch immer schmutzig. Er konnte seinen eigenen Atem riechen, den Geruch von Trüffelpralinen oder einem Tumor. Er versuchte, sich die Zähne zu putzen, und würgte, bis leuchtende Fischchen am Rand seines Gesichtsfelds herumflitzten und zappelten. Er zog seine Arbeitskleidung und die karierte Jacke an. Er nahm seine Mütze und sein Portemonnaie. Aus Gewohnheit steckte er ein Taschenbuch ein. Und dann, wie jeden Werktag um die gleiche Zeit, trat er aus dem Haus und fuhr mit dem Bus zur Arbeit.

    Als er sich am Empfang eintrug, warf ihm der Wächter einen merkwürdigen Blick zu.
    Er fuhr mit dem Aufzug in den zweiten Stock und ging ins Studio. Howard machte sich gerade eine Tasse Tee in der engen Küche. Kalte, ausgedrückte Teebeutel lagen überall auf der glänzenden Resopalarbeitsplatte verstreut.
    Mark Derbyshire saß im winzigen Gemeinschaftsbüro. Die meisten Lampen waren ausgeschaltet. Marks Bildschirmschoner bewegte sich unaufhörlich über seinen Monitor, dessen beiges Gehäuse mit tintenschwarzen Fingerabdrücken beschmiert war.
    Stoppeln sprossen um den normalerweise scharf konturierten Bart herum,

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