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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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hatte sich richtig zum Affen gemacht. Das tat Justin oft, und nur Justin merkte es nicht.
    Nathan hatte während der Sitzung nicht aufgepasst, weil er an Holly Fox dachte, und aus Versehen einer von Justins Lügen widersprochen. Die Lüge bezog sich auf eine Zeitungsladenkette in Nordostengland. Die Kette war normalerweise eine verlässliche Einkommensquelle, besonders im bodenständigeren Bereich des Sortiments.
    Tatsache war, dass die umfangreichen Warenrücksendungen eine Folge von Justins Unfähigkeit waren, die Bedingungen mit der Einkaufschefin dieses Abnehmers neu auszuhandeln.
    Die Rücksendungen bestanden aus Ladenhütern, die die Einzelhändler normalerweise hätten behalten oder billiger verkaufen können. Stattdessen waren sie als Absichtserklärung noch in Transportverpackung an das besagte Lagerhaus in Norfolk zurückgeschickt worden. Von jenem Zeitpunkt an hatten die Geschäftsbeziehungen zwischen den beiden Firmen auf Eis gelegen. Und Justin versuchte, all das vor dem Aufsichtsrat geheimzuhalten.
    Der Vorfall hatte bei Justin beinahe einen Nervenzusammenbruch ausgelöst.
    Aber nun sagte er: »Ich mache mir einfach Sorgen um dich, Kumpel. Du leistest dir doch sonst keine solchen Patzer.«
    »Glaub mir«, sagte Nathan, »du musst dir keine Sorgen um mich machen.« Dann fügte er hinzu: »Wie läuft’s mit Georgia?«
    Georgia war die Einkäuferin der Nordostkette. Wenn die Verhandlungen mit Hermes nicht bald wieder aufgenommen wurden, würde sie Hermes’ Ausstellungsfläche größeren Bewerbern zur Verfügung stellen. Sie zurückzugewinnen würde demütigend und kostspielig werden.
    »Georgia wird gleich online sein«, sagte Justin.
    »Ich glaube, du solltest lieber hinfahren und persönlich mit ihr reden, Mann. Von Angesicht zu Angesicht.«
    »Ich lasse sie lieber noch ein paar Tage schmoren«, meinte Justin.
    Nathan versuchte sein Grinsen zu verbergen, indem er sich von Justin wegdrehte und ein beliebiges Blatt vom Schreibtisch nahm. Er tat so, als überflöge er es mit besorgt gerunzelter Stirn. »Wenn du willst, fahre ich hin und rede mit ihr. Vielleicht kann ich die Wogen ein wenig glätten«, schlug er vor.
    Unaussprechliche Panik breitete sich auf Justins großem Kindergesicht aus.
    Dann sagte er: »Das kann ich nicht von dir verlangen. Nicht in deinem Zustand.«
    »In was für einem Zustand?«
    »Schau dich doch an. Du gehst auf dem Zahnfleisch.«
    »Mir geht’s gut .«
    »Warum erzählst du mir nicht, was los ist?«
    »Es gibt nichts zu erzählen.«
    »Ich kann dich nicht mit Georgia reden lassen. Nicht in deiner jetzigen Verfassung. Es steht zu viel auf dem Spiel. Sie ist ein wichtiger Kunde.«
    »Okay. Gut. Meinetwegen.«
    »Ist es eine Frau?«
    »Ist was eine Frau?«
    »Es.«
    »Nein, es ist keine Frau. Es ist gar nichts. Mir geht’s gut .«
    »Wo gehst du heute mittagessen?«, fragte Justin.
    Das war die Frage, die Nathan am meisten fürchtete.
    Justin aß immer in einem der örtlichen Pubs zu Mittag. Als Alibi bestellte er dann eine Lasagne, die er kalt werden ließ, während er sich nacheinander sechs Halbe und ein Päckchen Zigaretten genehmigte. Nach dem Mittagessen folgten oft eine oder zwei »Nachmittagsbesprechungen« im selben Lokal.
    Er kehrte dann mit gelöster Krawatte, über die Hose hängendem Hemd und offenen Schnürsenkeln ins Büro zurück.
    »Tut mir leid«, sagte Nathan. »Ich bin wirklich sehr beschäftigt. Ich hab schon was vor.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich esse mit der Marketingabteilung.«
    »Das Marketingessen ist morgen.«
    »Es ist ein Vorbesprechungsessen. Wir wollen die Tagesordnung für das Essen morgen spezifizieren.«
    »Gut. Dann machen wir das eben.«
    Nathan gab auf. Er sagte: »Gib mir fünf Minuten«, und eilte hinauf in die Marketingabteilung.
    Er fand Amrita an ihrem Platz, wo sie ein Sandwich von Pret a Manger aß und dabei einhändig eine E-Mail tippte. Ansonsten war die Etage leer.
    Nathan setzte sich zu ihr und sagte: »Ich bin in Schwierigkeiten.«
    Amrita bewegte ihren Drehstuhl. »Mein Gott. Ich wollte dich schon anrufen . Ich dachte, Justin stirbt gleich. Dieser fette, beschissene Lügner.«
    »Der fette, beschissene Lügner hat sich zum Mittagessen eingeladen.«
    Amrita lachte und spuckte dabei ein paar feuchte Brotkrümel aus. Sie machte Tz tz tz und wischte sie von ihrer Tastatur.
    »Das freut mich für dich«, sagte sie.
    »Und mich für dich . Ich hab dich als Vorwand genommen. Sorry.«
    »Ich esse nicht mit Justin. Ich habe ein

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