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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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Abendessen; Nathan hatte ihr wahrscheinlich zugestimmt und es sofort wieder vergessen, weil er sich nicht sonderlich für das Thema interessierte – nicht mehr, als Holly sich beispielsweise für den Großhandel von Grußkarten interessierte.
    Die letzten Beschwerden waren abgelehnt und die Planungserlaubnis erteilt worden. Die Bauarbeiten würden bald beginnen.
    Nathan ging auf die Webseite des Bauunternehmers und klickte sich zu einer Karte des geplanten Cabot Green Estate durch.
    Er brauchte eine Weile, bis er sich in den Plänen zurechtfand, aber auch nicht zu lange, denn Holly diskutierte oft mit ihm über ähnliche Projekte, und er hatte gelernt, die Karten zu lesen.
    Der jetzige Besitzer von Mark Derbyshires Grundstück, wer auch immer das war, hatte einen großen Teil davon verkauft – einschließlich des Waldes, der sich bis zu der Landstraße erstreckte. Auf der Karte konnte Nathan den Waldweg leicht ausfindig machen. Er war eingezeichnet, trug aber keinen Namen. Er konnte den sich dahinschlängelnden Bach erkennen, neben dem sie sie abgelegt hatten.
    Über dieser Karte schwebte in gepunkteten, bunten Linien das Gespenst der zukünftigen Wohnsiedlung. Am Bach sollte ein moderner Spielplatz mit Klettergerüsten und, jenseits einer kleinen Brücke, ein Picknickplatz entstehen. Nathan wusste, dass solche Anlagen oft in Vorschläge für neue Siedlungen hineingezeichnet und oft in der letzten Minute als Kostensparmaßnahme fallen gelassen wurden – solche Projekte überstiegen immer das Budget. Aber das Einplanen gekennzeichneter Erholungsräume half dabei, das Projekt gegen die Kritiker durchzusetzen. Es half dabei, die Illusion wach zu halten, dass eine von Grund auf neue Gemeinschaft geschaffen wurde.
    In den Plänen stand geschrieben, dass man Elise finden würde. Sie würde von einem Bagger ausgegraben werden, oder von ein paar Jungen, die über den Maschendrahtzaun geklettert wären, weil die unerforschte Mondlandschaft dahinter sie angezogen hätte, oder sie würde von Dachsen oder Füchsen oder einem Hund aufgespürt werden, den der schwere, süße Geruch von verwesendem Fleisch angelockt hätte.
    Er löschte seinen Browserverlauf, als hätte er sich Pornos angesehen, und öffnete dann seine geschäftlichen E-Mails. Er beantwortete mehrere von ihnen im Firmen-Autopilot-Modus: Sie schienen Probleme anzusprechen, die vor Jahrzehnten aufgetreten waren, und interessierten ihn nicht sonderlich. Dann loggte er sich aus und ging wieder ins Bett. Er konnte nicht schlafen. Er schleifte die Bettdecke nach unten und sah darin eingewickelt Vormittagsfernsehen.
    Als Student und Arbeitsloser hatte er oft tagsüber ferngesehen und das Programm wirklich genossen – aber nun schien ihm jeglicher Reiz abhanden gekommen zu sein. Er sah grelle, deprimierende Quizshows, ein erbärmliches, als Talkshow getarntes Affentheater, Kochsendungen, noch mehr Quizshows und eine angenehm einschläfernde Sendung über Aquarellfarben. Er machte sich Bohnen mit Toast. Er hatte seit langer Zeit keine Bohnen mit Toast mehr gegessen.
    Er rief Bob um fünf Uhr an – zwei Stunden, bevor Holly zurückkommen würde.
    Bob fragte: »Was war los? Ich hab mir Sorgen gemacht.«
    »Ich war krank.«
    »Stress, nehme ich an.«
    »Ja.«
    »Na ja. Egal.«
    »Ja, egal. Bringen wir’s hinter uns.«
    »Wann?«
    »Freitagnacht.«
    »Was sagst du Holly?«
    »Dass ich mit dir was trinken gehe. Und dass ich bei dir übernachte.«
    »Ist das eine gute Idee?«
    »Ich gehe nie aus. Ich habe nie eine Nacht ohne meine Frau verbracht, außer bei Vertriebskonferenzen. Und die nächste Vertriebskonferenz findet verdammt noch mal erst in fünf Monaten statt, und dann ist sie auch noch in Scheiß-Dublin. Okay?«
    »Okay. Bleib locker. Ist ja gut.«
    »Sorry. Ich dreh hier gerade am Rad.«
    Bob sagte: »Ich melde mich«, und legte auf.
    Nathan wickelte sich fester in die Decke und machte den Fernseher wieder lauter. Er sah eine schrille Werbung für Darlehenskonsolidierung, dann eine ruhigere für orthopädische Betten, eine dritte für Treppenlifte und eine vierte für ein Grippemedikament, die wie ein machohaftes, geschlossenes Minidrama aufgebaut war.
    Das waren also die Leute, die mit ihm fernsahen. Die Arbeitslosen, die Alten und die Kranken. Eine einsame, in Stille verbundene Gemeinschaft.
    Er schaltete den Fernseher aus.

26
    Am Freitagabend gab Holly ihm einen Kuss auf die Wange und wünschte ihm viel Spaß.
    In der Diele umarmte er sie fest, und sie machte

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