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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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willst.«
    »Ich dachte, sie würde im Wald spuken.«
    »Wer?«
    »Aber sie hat uns verfolgt. Sie blieb bei uns.«
    »Bob, was hast du getan ?«
    Eine Weile rührten sie sich nicht. Bis Bob sagte: »Ich habe versucht, einen Geist zu erschaffen.«
    Nathan ließ sein Glas fallen.
    Es rollte über den Teppich. Sein Boden beschrieb einen Halbkreis. Nathan und Bob fixierten es mit ihren Blicken und sahen ihm zu, bis es still liegen blieb.

34
    Nathan wollte lachen.
    Dann wollte er weinen.
    Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Es stand in alle Richtungen ab.
    Er sagte: »Du bist echt verrückt. Weißt du das? Mit dir stimmt was nicht. Hier drin …« Er tippte sich an den Kopf. »Du bist völlig abgedreht. Verdammte Scheiße. Du bist total krank im Kopf.«
    Einen kurzen Moment lang fühlte sich Nathan, als sei er acht Jahre alt und hilflos. Er fragte: »Weißt du, was du mir angetan hast?«
    Er ging zur Kochnische und zog die Besteckschublade auf. Er prüfte ihren Inhalt: Gabeln, Löffel. Messer.
    Bob folgte ihm mit trägem Blick.
    Nathan machte die Besteckschublade wieder zu und füllte ein schmutziges Glas mit sauberem Wasser. Während er es austrank, drehte er sich kurz um, um zu sehen, wohin Bobs Blick ging. In der hinteren Ecke, nahe der verrottenden Samtvorhänge, stand ein schwerer Safe. Die grüne Farbe war stellenweise abgeblättert und ließ das matte Metall darunter erkennen.
    Nathan zog an seiner Unterlippe und murmelte: »Verdammte Kacke.«
    Er stand heftig blinzelnd da. Er wollte nicht weinen.
    Er sah zur Decke hoch. Er hörte rasche Bewegungen dort oben, ein Kratzen. Die Nachbarn vielleicht, oder Ratten.
    »Du hast gesagt, sie hatte einen Anfall .«
    Bob zuckte mit den Schultern, seine Augen waren gerötet.
    »Sorry.«
    »Wie hast du …?«
    Bob hielt die Hände hoch. Krümmte die Finger.
    Nathan schaute noch immer an die Decke. Das Räderwerk in seinem Kopf lief außer Kontrolle.
    Die schwache Glühbirne über ihm flackerte dreimal. Die Dunkelheit um die Männer herum stotterte.
    Nathan sagte: »Das wusste ich nicht.«
    Er sprach nicht mit Bob, aber Bob beobachtete ihn.
    »Sie verfolgt uns«, sagte Bob.
    »Das tut sie nicht.«
    »Sie sollte am Straßenrand sein, in der Nähe von dort, wo sie vergraben wurde. So ist das bei Straßengeistern normalerweise. Aber als ich aufgewacht bin, war sie hier. In meinem Zimmer. Neben meinem Bett. Sie stand einfach da und hasste mich. Sie ist jetzt hier. Kannst du sie spüren?«
    »Nein.«
    »Du lügst.«
    »Du hast Wahnvorstellungen. Sie ist nicht echt.«
    »Du hast sie gesehen.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Nein. Sie ist nicht echt.«
    Bob sagte: »Die zweite Schublade. Fast ganz unten.«
    Nathan brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, was Bob meinte. Dann öffnete er die mittlere Küchenschublade und wühlte darin herum. Unter den Plastiktüten, zerbrochenen Korkenziehern, kaputten Kugelschreibern und einzelnen 9-Volt-Batterien fand er ein Din-A4-Blatt, das bedruckt und laminiert worden war: Dies sind die sterblichen Überreste von Elise Fox, die eines unnatürlichen Todes starb. Wir übergeben sie deiner Fürsorge und wünschen ihr Frieden.
    Bob ließ Nathan es zwei-, dreimal durchlesen und sagte dann: »Ich habe es in einem Internetcafé gemacht. Aber du solltest vielleicht besser deine Fingerabdrücke abwaschen. Nimm Spülmittel und einen Schwamm.«
    »Und was willst du damit machen?«
    »Wir fahren sie zu einer Kirche.«
    »Wir können sie nicht einfach irgendwo liegen lassen.«
    »Genau das meine ich ja. Das tun wir nicht. Kirchen stehen auf geweihtem Boden. Wenn wir vorsichtig sind, wird es nie jemand erfahren. Nicht Holly. Gar keiner. Und bald darauf ist es vergessen und vorbei. Elise ist weg. Raus aus deinem Leben. Und aus meinem.«
    »Sie ist nicht echt, Bob. Sie ist nicht echt.«
    »Heute Nacht.«
    »Nicht heute Nacht.«
    »Doch, heute Nacht. Ich bin bereit.«
    »Wir haben getrunken.«
    »Genau.«
    »Also lass uns nichts Unvorsichtiges tun.«
    »Ich muss sie loswerden. Ich muss.«
    »Sie ist nicht echt.«
    »Sie ist hier.«
    »Gar nichts ist hier. Sie ist tot.«
    »Wir beide haben es getan. Wir beide müssen es in Ordnung bringen. So läuft das. Wir beide müssen es in Ordnung bringen – sonst geht es immer weiter.«
    Er rieb sich mit trockenen Händen übers Gesicht.
    Dann sagte er: »Sie immer bei sich zu haben. Jede Minute, jeden Tag. Es ist unerträglich.«
    Nathan begann zu zittern. Ihm war nicht kalt.
    Er sagte:

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