Verhängnisvolle Sehnsucht (German Edition)
übersehen war. Hitze schoss in ihre Wangen, und sie blickte den Fremden verlegen an, der die Tür hinter sich geschlossen hatte und sich nun mit dem Rücken dagegenlehnte. Sie spürte, wie Kyle sich hinter ihr die Kleidung zurechtrückte, und atmete erleichtert auf, als er schließlich neben sie trat. Allerdings ließ sein harter Gesichtsausdruck ihren Atem stocken.
»Hallo, Sean, lange nicht gesehen.« Selbst seine Stimme klang ungewohnt hart.
Sean? Jetzt erst fiel Alyssa die Ähnlichkeit zu der Phantomzeichnung auf, und sie erkannte Kyles Cousin.
Wieder lachte der Mann. »Das kann ich eigentlich nicht behaupten, ich beobachte dich schon eine ganze Weile.«
»Warum hast du dich dann nicht gemeldet? Du weißt, dass du immer in unserem Haus willkommen warst.«
Seans Gesicht verzerrte sich. »In eurem Haus! Mir war klar, dass du das so siehst. Du hast kein Recht dazu, dort zu leben, es müsste mir zustehen!«
An ihrem Arm konnte Alyssa spüren, wie Kyles Körper sich versteifte. »Ich habe das Haus von meinen Eltern geerbt, es gehört jetzt mir. Warum denkst du, dass es dir zusteht?«
Alyssa wusste nicht, wie Kyle es schaffte, so ruhig zu bleiben. Sean war genauso groß und kräftig wie er, und jede Faser seines Körpers drückte blanken Hass aus. Auch wenn er sie noch nicht offen bedrohte, war überdeutlich, dass er ihnen etwas antun wollte. Was konnten sie tun? Wenn sie schrien, würde sicher jemand kommen, aber sie bezweifelte, dass die Bibliotheksbenutzer oder Phyllis ihnen helfen konnten. Der Notrufsender hing an einem Band um ihren Hals, aber es würde Sean sicher auffallen, wenn sie ihn jetzt betätigte. Sie musste abwarten, bis er abgelenkt war.
Sean trat einen Schritt vor, seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Mein Vater war der ältere Bruder, es hätte ihm gehören müssen, genauso wie die Firma.«
»Unsere Väter haben die Firma gemeinsam aufgebaut und hatten gleiche Anteile. Onkel Harold wollte nach einigen Jahren weder die Firma noch das Haus haben und hat deshalb beides an meinen Vater verkauft. Und zwar zu einem fairen Preis. Es tut mir leid, wenn du dich dadurch ungerecht behandelt fühlst, aber das hättest du mit Harold ausmachen müssen.« Kyles Stimme war immer noch ruhig; anscheinend hoffte er, Sean damit zur Vernunft zu bringen. Allerdings konnte Alyssa sehen, dass es nicht funktionierte; wenn möglich regte er Sean damit nur noch mehr auf.
»Wie ungeheuer großzügig von dir, Narbengesicht!« Er grinste hämisch. »Wie gefällt es dir, wenn du dich im Spiegel ansiehst?« Er wandte sich an Alyssa. »Mich wundert, dass Sie ihm überhaupt ins Gesicht schauen können, so wie er aussieht.«
Alyssa berührte Kyles Rücken, um ihm zu zeigen, dass sie immer noch bei ihm war. »Ich finde ihn sehr attraktiv. Und dazu noch sehr nett und hilfsbereit.«
»Hat er Ihnen schon erzählt, wie sich die Frauen früher darum gerissen haben, von ihm beglückt zu werden? Keine Woche, in der er keine neue Flamme hatte. Seltsamerweise wollten sie nach dem Feuer nichts mehr von ihm wissen. Tragisch, oder?«
Alyssa schwieg, dafür übernahm Kyle die Unterhaltung wieder. »Was willst du, Sean?«
»Ich will alles, was mir gehört. Und um das zu erreichen, musst du sterben, denn nur dann erbe ich dein Vermögen. Leider hat es beim ersten Versuch nicht ganz geklappt, aber noch einmal wirst du nicht so viel Glück haben.«
Kyles Rückenmuskeln spannten sich unter ihrer Hand an, und sie hielt ihn rasch am T-Shirt fest, damit er sich nicht auf Sean stürzte. »Du hast das Feuer in dem Supermarkt gelegt? Wie konntest du das tun? Es waren Menschen darin, die dir nichts getan haben! Du hast Manolo getötet!«
Sean zuckte nur mit den Schultern. »Das war keine Absicht, aber in jedem Krieg gibt es unbeteiligte Opfer.«
Eine Ader pochte an Kyles Schläfe. »Krieg? Mit eurer Verschwendungssucht haben deine Mutter und du das Geld innerhalb weniger Jahre durchgebracht, das dein Vater mühsam verdient hatte. Das ist eure eigene Schuld, nicht die von meinem Vater und ganz sicher nicht meine.«
Inzwischen war Seans Gesicht so rot, dass er aussah, als würde er jeden Moment explodieren. »Mein Vater war ein Idiot, das Angebot anzunehmen, sich auszahlen zu lassen! Wäre er noch Teilhaber gewesen, hätten wir viel mehr Geld aus der Firma ziehen können.«
»Sie wäre innerhalb kürzester Zeit bankrottgegangen, und Harold wusste das auch.«
Hasserfüllt blickte Sean ihn an. »Du hast mir wesentlich besser gefallen, als
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