Verhängnisvolles Gold
der anderen Seite der Eingangshalle. Er ist im letzten Zimmer.«
Ich warte ab, denn ich erwarte mehr. Dass ich zum Beispiel einen Test bestehen oder eine Prüfung ablegen muss.
Auch er wartet. Zwei große Schwerter hängen an jeder Seiten seines Gürtels. Tragen alle hier Schwerter? Oder will er mich in zwei Teile spalten?
»Ähm, kann ich einfach hingehen?«, frage ich mit fiepsiger Stimme. »Ihr müsst nicht wissen, wer ich bin?«
»Du kannst einfach gehen, Zara«, sagt er zwanglos, als hätte er sein formelles Gehabe auf einmal aufgegeben. »Odin hat erwartet, dass du kommst.
»Okay. Danke.« Auf Zehenspitzen betrete ich vorsichtig die Eingangshalle.
Die Wände bestehen aus gewaltigen Steinblöcken. Hohe, massive Säulen, die aussehen, als wären sie aus riesigen, längst ausgestorbenen Bäumen gemacht, tragen die Decke. Entlang der Wand stehen lange Speere aufgereiht wie Sichtblenden aus Bambus. Die Steinblöcke sind versetzt angeordnet, sodass sich schmale Simse bilden, und auf diesen Simsen liegen weiße, menschliche Schädel.
Es ist wirklich schauderhaft. Ich renne jetzt so schnell ich kann durch die Halle und meine Schritte auf dem Holzfußboden hallen wider. An langen Holztischen vorbei steuere ich auf die Tür zu, die zu einem langen, dunklen Korridor führt, von dem zu beiden Seiten Holztüren abgehen. Hinter einer dieser Türen ist Nick! Ich sprinte los. Am Ende des Korridors steht eine Tür einen Spalt offen. Vor ihr bleibe ich stehen.
»Atme«, befehle ich mir. »Atme.«
Aber es fällt mir schwer. Es fällt mir auch schwer zu denken. Nick ist dort, hinter der Wand, in diesem Raum. Meine Gefühle drohen in meinem Innern zu explodieren. Ich bekomme Schluckauf; dann strecke ich die Hand aus und stoße die Tür auf.
»Wie viele Menschen müssen wir verlieren, bevor das aufhört?«, fragte ein Demonstrant heute Morgen vor dem Bedforder Rathaus. »Jemand hat den Jugendlichen in Bedford den Krieg erklärt, und es ist an der Zeit, dass wir zu den Waffen greifen und zurückschlagen.«
– CNNS NIGHTLY NEWS BREAK
Meine Hand liegt schmal und blass auf dem Holz der Tür. Ich drücke mit meinem Gewicht dagegen, da nehme ich hinter mir eine Bewegung wahr. Eine klauenbewehrte Hand mit langen Fingern packt mein Handgelenk und reißt es von der Tür weg. Ich wirble herum und entziehe meine Hand dem Griff.
Thruth, die schöne Walküre mit der furchterregenden Ausstrahlung, hat sich angeschlichen. Sie bedeutet mir mit einer Handbewegung, still zu sein, und zieht mich mit sich.
»Was hast du vor?«, knurre ich.
»Du sollst ihn jetzt noch nicht sehen«, sagt sie.
»Den Teufel werde ich nicht sehen.«
Sie lässt meine Hand nicht los, und sie ist so viel stärker als alle, die ich kenne, stärker als Nick und sogar stärker als Betty. »Wenn du den Wolf sehen willst, musst du dich den Regeln dieses Landes fügen.«
Enttäuschung frisst ein Loch in meinen Magen, aber ich folge ihr ein paar Schritte den Korridor hinunter. Kaum lässt sie mein Handgelenk los, greift meine Hand nach dem Schwert an meiner Hüfte. Ich weiß, dass sie mich bezwingen kann, aber ich werde es ihr nicht leicht machen.
»Er hat dir eine Audienz gewährt«, flüstert sie und geht mit raschen Schritten den Korridor hinunter auf den großen Raum zu. »Er ist sehr gütig, der freundlichste aller Götter.«
Ihrem mürrischen Gesichtsausdruck und ihrer steifen Körpersprache nach heißt sie seine Entscheidung nicht gut. Inzwischen ist sie nicht mehr in Kampfmontur, sondern trägt dieses wikingermäßige Frauenoutfit: einen langen Rock und ein capeartiges Gewand, das von Broschen über den Brüsten zusammengehalten wird. Ihre Schwingen liegen wahrscheinlich zusammengefaltet unter dem Umhang verborgen. Sie sagt nichts, als wir in Rekordzeit den Korridor zurückgehen. Dann betreten wir die Eingangshalle: Sie ist voller Krieger, Männer und Frauen mit Armbändern aus gehämmertem Metall und prallen Muskeln. Sie tragen leuchtend bunte, verzierte Jacken über Kniehosen. Das hatte ich nicht erwartet. Die Knöpfe an ihrer Kleidung glänzen und spiegeln die Farben der Flammen wider, die in den großen Feuerstellen lodern. Ich bleibe einen Augenblick lang stehen und schaue nur.
»Dort oben«, sagt sie und zeigt zu dem Haupttisch hinauf. Ein schlaksiger Mann wirft sich seinen grauen Umhang über die Schulter. Hinter ihm lehnt ein Stab an der Wand. Eines seiner Augen wird von einem Stück Stoff verborgen. Er winkt mich zu sich.
Ich bahne mir einen
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