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Verheißene Erde

Verheißene Erde

Titel: Verheißene Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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ein vollkommenes Menschenkind auf dem Höhepunkt seiner Anziehungskraft, mit der Stimme einer flüsternden Antilope und der Geschmeidigkeit einer Gazelle. Gumsto wollte sie unbedingt besitzen. »Ich dachte an Naoka«, sagte er vorsichtig.
    »Ein schönes Mädchen«, sagte Kharu. »Gao könnte sie heiraten, wenn er zu jagen verstünde.«
    »Ich dachte nicht an Gao.«
    Er hatte keine Zeit, seine Überlegung zu Ende zu führen, denn Kharu rief über den geringen Zwischenraum hinweg: »Naoka! Komm her!« Träge, mit der herausfordernden Lässigkeit eines jungen Mädchens, das sich seiner Anziehungskraft voll bewußt ist, richtete sich Naoka auf, ordnete ihre Armbänder und sah zu der wartenden Kharu hinüber. Sie erhob sich langsam und wischte behutsam den Staub von ihrem Körper. Dabei verwendete sie besondere Sorgfalt auf ihre Brüste, die in der Sonne glänzten. Vorsichtig ging sie die wenigen Schritte zu Kharu hinüber. »Ich wünsche dir alles Gute«, sagte sie, als habe sie eine lange Reise hinter sich.
    »Bist du noch in Trauer?« fragte Kharu.
    »Nein.« Das Mädchen sprach in einem gefälligen Ton. Jedes ihrer Worte ließ andere erahnen, die jedoch unausgesprochen blieben. »Nein, Kharu, liebste Freundin, ich lebe einfach.« Und sie hockte sich nieder, die Knie geschmeidig gebeugt, ihr Gesäß schwebte knapp über dem Boden. »Das ist aber ein armseliges Leben, meine liebe Naoka. Deshalb rief ich dich.«
    »Warum?« Ihr Gesicht war eine gelassene Maske der Unschuld. »Weil ich dir helfen will, einen Mann zu finden.«
    Mit einer verächtlichen Handbewegung wies das Mädchen auf die triste Siedlung. »Und wo erwartest du einen Mann für mich zu finden?«
    »Mein Sohn Gao braucht eine Frau.«
    »Hat er mit Kusha gesprochen? Sie hat eine kleine Tochter.«
    »Ich dachte eigentlich nicht an Kusha... oder ihre Tochter.«
    »Nein?« fragte das Mädchen leise und lächelte Gumsto in einer Weise zu, die ihn schwindlig machte.
    »Ich dachte an dich«, sagte Kharu und fügte schnell hinzu: »Also falls du Gao heiratest.«
    »Ich?« fragte das Mädchen, mit offenkundigem Staunen. An Gumsto gewandt, fuhr sie fort: »Ich wäre nie die richtige Frau für Gao, oder?«
    »Und warum nicht?« fragte Kharu und erhob sich.
    »Weil ich so bin wie du, Kharu«, erklärte das Mädchen ruhig, »die Tochter eines großen Jägers. Und ich war die Frau eines Jägers, der nicht ganz so gut war wie Gumsto.« Sie warf dem kleinen Mann einen herausfordernden Blick zu. »Ich könnte Gao nie heiraten, einen Mann, der noch keine Elenantilope erlegt hat!«
    Für diese schreckliche Ablehnung hatte sie ein gewichtiges Wort benutzt: Elenantilope. Die Sippe und die Antilopen lebten nebeneinander, sie fand in den Tieren ihre körperliche und geistige Herausforderung. Sie unterteilten die Rasse in zwanzig verschiedene Arten, von denen jede eine gesonderte
    Gruppe mit eigenem Terrain und individuellen Gewohnheiten darstellte. Ein Jäger, der die verschiedenen Arten der Antilope nicht kannte, kannte das Leben nicht.
    Da gab es die eleganten kleinen Klippspringer, die nicht viel größer waren als ein großer Vogel, die kleinen Impalas mit schwarzen Streifen auf dem Rumpf und die graziösen Springböcke, die springen konnten, als ob sie Flügel hätten. Es gab die roten, kurzhornigen Waldducker und eine ganze Welt von mittelgroßen Tieren: Steinböckchen, Gemsbock, Bläßbock und Buschbock, jeder mit einer anderen Art von Horn, jeder mit seiner unterschiedlichen Färbung.
    Auf all diese fruchtbaren Tiere mittlerer Größe hatten es die Jäger ständig abgesehen; sie lieferten viel Nahrung, aber es gab noch vier größere Antilopenarten, die die kleinen Männer faszinierten, denn ein einziges von diesen Tieren würde eine ganze Sippe ernähren: das bärtige Weißschwanzgnu, das zu Millionen durch die Savanne zog; das Nyala mit den leierförmigen Hörnern, der riesige Kudu mit seinen wild verdrehten Hörnern und weißen Streifen; und die seltenste von allen, die herrliche Rappenantilope mit ihren gewaltigen, rückwärtsgebogenen Hörnern, so bezaubernd, daß die Jäger manchmal wie angewurzelt stehenblieben, wenn sie zufällig eine erblickten. Dieses schöne, wundersame Tier tauchte nur selten auf, wie eine Erscheinung, und oft erinnerten sich Männer an ihren Lagerfeuern, wo und wann sie ihre erste gesehen hatten. Nicht oft wurde eine Rappenantilope erlegt, denn die Götter hatten diesen Tieren ein außergewöhnliches Wahrnehmungsvermögen verliehen; sie

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