Verheißene Erde
»Durch die Gnade Gottes, unseres einzigen Helfers«, schrieb der Kapitän in sein Logbuch, »verminderte sich die Kraft der Wellen. Unser Schiff brach nicht auseinander. Und als es dämmerte, sahen wir, daß unsere Lage zwar hoffnungslos war, wir aber der Küste nah genug waren, um die an Bord befindlichen Menschen zu retten.« Im Morgennebel kam das Skiff zurück und berichtete, daß es sich bei dem Schiff auf der Reede um die »Olifant« handelte. Ein Beiboot wurde zu Wasser gelassen, um zum Strand zu fahren, aber die Besatzung der »Haerlem« beobachtete entsetzt, wie es in der tobenden Brandung unterging und ein Matrose, der nicht schwimmen konnte, ertrank. »Wir müssen an Land!« schrie Karel dem Kapitän zu. »Es gibt keine Möglichkeit«, antwortete der Kapitän, aber Karel vermutete, wenn er zwei Fässer aneinander festzurren könnte, würden sie ihn an Land bringen, und tatsächlich landeten Karel und Willem mit dieser Konstruktion am Kap der Guten Hoffnung.
Die nächsten Tage waren ein Alptraum. Unter der Führung der van Doorns versuchte die »Olifant« drei verschiedene Male, zu der sinkenden »Haerlem« zu gelangen, doch jedesmal schlug die Dünung so heftig gegen ihr Beiboot, daß sie umkehren mußten. Zum Glück segelten zwei englische Handelsschiffe in die Bucht, die auf der Rückfahrt von Java waren, und es gelang einem Boot von der »Haerlem« mit tollkühner Seemannskunst, sie mit einer Bitte um Hilfe zu erreichen. Zur Verwunderung der Holländer war die Besatzung einverstanden, die kleineren Stücke der Ladung auf die »Olifant« zu befördern, und das taten sie einige Tage lang so, als wären sie im Dienst von Amsterdam: ».hundert Muskatblüten, zweiundachtzig Faß rohen Kampfer, achtzig Ballen besten Zimt, nicht durchnäßt, und fünf große Kisten voll japanischer, mit Gold und Silber geschmückter Mäntel.« Und als diese schwierige Arbeit beendet war, boten ihnen die englischen Kapitäne an, vierzig Mann von der Besatzung der »Haerlem« nach St. Helena zu bringen, wo sie sich der holländischen Hauptflotte auf dem Weg nach Amsterdam anschließen könnten.
Aber bevor diese guten Samariter absegelten, erhielt Willem eine Aufgabe, an die er sich oft erinnern sollte. »Hol alle Briefe von den Poststeinen«, wurde ihm gesagt, und als er zu fragen begann, was ein Poststein sei, schrie ihn ein Offizier an: »Vorwärts, an die Arbeit!«
An Land fragte er einige ältere Seeleute, was er tun müsse. Sie erklärten ihm das System und bestimmten zwei junge Matrosen, ihn zu beschützen, während er den Strand bis zum Fuß des Tafelbergs absuchte und sich nach allen großen Steinen umsah, die von vorbeifahrenden Mannschaften mit Inschriften versehen worden waren. Unter manchen fand er nichts, aber die meisten enthielten kleine Päckchen mit Briefen. Als er diese vergänglichen Dokumente in Händen hielt, versuchte er, sich die Städte vorzustellen, für die die Briefe bestimmt waren: Delft, Lissabon, Bristol, Nagasaki. Die Namen klangen wie Echos von allem, das er bisher auf der Reise gehört hatte, die geheiligten Namen der Erinnerungen von Seeleuten. Ein an eine Frau in Madrid adressierter Brief hatte sieben Jahre lang unter seinem Stein gelegen, und während Willem ihn anstarrte, fragte er sich, ob sie noch am Leben sein würde, wenn er jetzt ankäme, oder ob sie sich an den Mann erinnern würde, der ihn an sie gesandt hatte.
Er brachte neunzehn Briefe zu den englischen Schiffen zurück, aber sechs waren für Java und andere Inseln im Osten bestimmt. Ernst, wie es zum Ritual der See gehörte, übernahm der englische Maat die Verantwortung, dafür zu sorgen, daß die dreizehn nach Europa gerichteten Briefe befördert würden, worauf Willem die anderen an Land mitnahm, um sie unter einen auffallenden Felsen zu legen.
Als die englischen Schiffe absegelten, hatten die Holländer Zeit, ihre Lage zu prüfen, und sie war erschreckend. Es war unmöglich, an diesem entlegenen Ort die Geräte herzustellen, die erforderlich gewesen wären, um die »Haerlem« wieder flottzumachen. Sie mußte aufgegeben werden. Aber ihre unteren Laderäume enthielten noch so gewaltige Schätze, daß weder die »Olifant« noch die »Schiedam«, wenn man sie in der Bucht an Land gebracht hätte, imstande gewesen wären, alles nach Holland zurückzubringen. Es mußte also an Land eine Art provisorische Festung errichtet werden, dann mußte man die restliche Ladung dorthin bringen; und eine Truppe von Männern mußte
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