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Verheißene Erde

Verheißene Erde

Titel: Verheißene Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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zurückzubleiben und die Ladung zu bewachen. Ihm war jedoch klar, daß er in Holland ganz andere Möglichkeiten hatte, die er nicht durch längere Abwesenheit am Kap gefährden wollte. So wurde vereinbart, daß zwei schneidige Marineoffiziere mit einer Truppe von sechzig Mann im Fort bleiben sollten, während die Brüder van Doorn nach St. Helena eilten, um von dort mit einem schnellen
    Handelsschiff direkt nach Amsterdam zu fahren. Aber am 12. April, als die »Olifant« und die »Schiedam« in See stachen, blieb der junge Willem van Doorn an Land: »Ich habe das Gefühl, daß ich im Fort gebraucht werde.« Es war die Art selbstsicherer Erklärung, die alte Kämpfer respektieren konnten, also waren sie einverstanden. »Haltet das Fort!« riefen sie, als die beiden Schiffe absegelten, und ließen die erste Gruppe von Holländern in der Geschichte am Kap zurück.
    Nur zwölf Tage später, als Ende April die schönsten Herbsttage kamen, überraschte Willem die Fortkommandanten mit der Ankündigung: »Ich möchte der erste sein, der den Tafelberg besteigt.« Als die Erlaubnis erteilt wurde, gewann er noch zwei Freunde für die Sache. Sie marschierten flott etwa zwanzig Kilometer weit nach Süden zu dem leuchtenden Berg, und als sie an seinem Fuß standen, rief Willem: »Wir machen nicht halt, ehe wir dort oben sind.«
    Der Aufstieg war eine Schinderei, und die jungen Leute standen oft vor jähen Abgründen, die sie umgehen mußten, erreichten aber schließlich das breite, schöne Plateau, das die Kuppe des Berges bildet und von dem aus sie ihr >Reich< überblicken konnten.
    Im Süden lag nur der zugefrorene Pol, im Westen der leere Atlantik und die Territorien der Neuen Welt, die Spanien gehörten. Im Norden sahen sie, so weit das Auge reichte, nichts als windgepeitschte Dünen. Aber im Osten erblickten sie einladende Wiesen, dann erhoben sich Hügel und dahinter eine Bergkette, dann mehr und mehr und immer mehr Berge, bis zu einem Horizont, den sie nur ahnen konnten. Schweigend musterten die drei Seeleute das Land, das in der Herbstsonne brütete, und sie drehten sich oft herum, um die einsamen Meere zu sehen, über die tausend Meilen weit die Winde heulen konnten. Doch immer wieder kehrten ihre Augen zu den verführerischen grünen Tälern und den lockenden Bergen im
    Osten zurück. Doch während sie ostwärts blickten, bemerkten sie die Wolken nicht, die sich blitzschnell über dem Ozean im Westen gebildet hatten, und als sie sich umdrehten, um den Abstieg anzutreten, warf der Teufel sein Tischtuch, und jede Bewegung wurde gefährlich.
    »Was können wir tun?« fragten die Gefährten, und Willem antwortete ganz vernünftig: »Zittern bis zum Morgengrauen.« Sie wußten, daß man sich im Fort Sorgen machen würde, hatten aber keine andere Wahl, und als die Sonne endlich aufging und den Nebel zerstreute, staunten sie von neuem über das Paradies, das im Osten wartete.
    Die Seeleute nahmen von den ersten Tagen der Isolation an von den kleinen braunen Menschen Notiz, die das Kap bewohnten. Sie waren eine armselige Gemeinschaft, »kaum Menschen«, schrieb ein Autor, »schmutzig, diebisch, und sie lebten von den Schalentieren, die sie fangen konnten«. Man gab ihnen den Namen Strandloopers (Strandläufer), und sie hatten zum Leidwesen der Seeleute nichts zu tauschen, das von Wert gewesen wäre, wollten aber alles haben, was sie sahen. Die schlechte Beziehung der beiden Gruppen wurde durch zahlreiche Handgemenge und einige Todesfälle noch mehr getrübt.
    Aber am 1. Juni, als die von der Außenwelt abgeschnittenen Männer zu dem Schluß kamen, daß sie alles gesehen hatten, was sich in ihrem vorübergehenden Aufenthaltsort zu sehen lohnte - Nashörner, die in den Niederungen weideten, Flußpferde in den Flüssen, nachts umherschleichende Löwen und ungezählte Antilopen -, kam es zu einem merkwürdigen Vorfall. Jener, der später seinen Bericht über den Schiffbruch schrieb, erzählte:
    An diesem Tag, um etwa zwei Uhr nachmittags, näherte sich uns aus dem Osten eine Gruppe von etwa zwanzig kleinen braunen Männern, die sich von den armseligen, die wir Strandloopers nannten, deutlich unterschieden. Sie waren größer. Ihre Lendentücher waren sauberer. Sie bewegten sich furchtlos, und, was uns am meisten freute, sie trieben eine Herde Schafe vor sich her. Die Tiere hatten die gewaltigsten Schwänze, die wir je gesehen hatten. Wir nannten diese Männer nach ihrer Art, mit merkwürdigen Schnalzlauten zu stottern, Hottentotten,

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