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Verheißenes Land

Verheißenes Land

Titel: Verheißenes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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bevorstehende Flucht. Irgendwann zwischen Mitternacht und Morgengrauen würde er es wagen müssen, und obwohl er vor Samuel so zuversichtlich geklungen hatte, fragte er sich nun, ob er seine Fähigkeiten nicht überschätzte. Stürzte er sich in eine Gefahr, der er nicht gewachsen war?
    Sogar wenn ihm die Flucht gelang und er die Küste von North Carolina erreichte, war er damit noch nicht gerettet. Er würde sich ohne einen Cent in der Tasche nach New York durchschlagen müssen, denn erst dort konnte er Geld von seinem Bankkonto abheben, um die nötige Ausrüstung für die Reise nach Westen zu kaufen. Hatte er überhaupt eine Chance, früh genug nach Independence zu kommen? Es würde ein irrwitziges Rennen gegen die Zeit werden!
    Warum ließ er sich bloß darauf ein? Genügte es, dass er Éanna um jeden Preis nahe sein wollte?
    Je länger er darüber nachgrübelte, desto verrückter und lächerlicher kam ihm sein Plan vor. Es war ja nicht so, als würde Éanna auf ihn warten. Hatte sie ihm denn nicht klar und unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie ihren Platz an der Seite von Brendan sah?
    Was, zum Teufel, ließ ihn bloß glauben, ihre Liebe doch noch gewinnen zu können? War es der eine Kuss, den er ihr damals in Dublin gestohlen hatte und der so wundervoll gewesen war? Patrick war sich ihrer tiefen Zuneigung sicher – doch reichte das, um zu hoffen, dass sich ihre Freundschaft eines Tages in Liebe verwandeln würde?
    Die Zweifel nagten in Patrick und ihm wurde übel. Verzweifelt sagte er sich, dass er die Flucht selbst dann wagen würde, wenn Éanna schon endgültig für ihn verloren wäre. Schließlich ging es um seine Freiheit!
    Als Patrick endlich zum Dienst an Deck gerufen wurde, seufzte er erleichtert auf. Das leidige Warten hatte ein Ende! Als er die schmale Leiter zum Deck hochkletterte, richtete Samuel es so ein, dass er gleich hinter ihm aus der Luke stieg.
    »Es wird noch ein paar Stunden dauern«, raunte er ihm zu, während er sich an ihm vorbeidrängte. »Überstürze nichts, sondern warte auf mein Zeichen!«
    »In Ordnung«, flüsterte Patrick zurück. »Vielen Dank für alles! Und Gottes Segen, mein Freund.«
    Das verabredete Zeichen kam später als gedacht. Erst im Morgengrauen, als sich im Osten die Schwärze der Nacht schon aufzuhellen begann, stellte sich Samuel an die Reling und klopfte vernehmlich die Asche aus dem Kopf seiner Maiskolbenpfeife. Er hatte die Küste von Cape Hatteras ausgemacht!
    Patricks Herz begann zu jagen. Er zwang sich, noch einige Augenblicke seiner Arbeit nachzugehen. Dann jedoch ließ er das schadhafte Tau fallen, das er ausbessern sollte, stand auf und lief zügig über das Deck nach achtern.
    »He, was soll das?«, polterte der Bootsmann gereizt. »Zurück an die Arbeit, Bursche! Ein bisschen flott, sonst setzt es was.«
    »Fahr zum Teufel, verfluchter Schinder!«, schrie Patrick zurück, griff in die Seile und zog sich hinauf auf die Reling.
    »Henderson! Mosley! Packt ihn! Schnell!«, brüllte der Bootsmann, als er begriff, was Patrick vorhatte. »Der Idiot will über Bord springen!«
    Für einen kurzen Moment starrte Patrick nach Westen, wo sich die Küste von Cape Hatteras als schmaler schwarzer Strich vom Himmel abhob. Er versuchte, die Entfernung zu schätzen, doch ihm blieb nicht viel Zeit. Also stieß er sich mit aller Kraft von der Reling ab und sprang in die tintenschwarze See.
    Er schlug hart auf dem Wasser auf und tauchte ein. Die Kälte war ein Schock. Ihm war, als bohrten sich Tausende Eisnadeln in seinen Körper. Voller Panik ruderte er mit den Armen, um wieder zur Oberfläche zu kommen, und als er sie endlich durchbrach und nach Atem ringend der Sarah Lee hinterherschaute, hatte sich das Schiff schon gute zwei Längen von seiner Position entfernt. Ihr Kurs sagte ihm, in welche Richtung er schwimmen musste, um die Inselgruppe zu erreichen. Denn vom Wasser aus war die schwache Küstenlinie nicht mehr auszumachen.
    Vom Deck des Seglers ertönte wütendes Geschrei. Für einige bange Augenblicke fürchtete Patrick, der Captain könne den Befehl zum Beidrehen und Aussetzen eines Beibootes geben.
    Zu seiner großen Erleichterung hielt die Sarah Lee jedoch ihren Kurs und wurde schnell zu einer schattenhaften, rasch kleiner werdenden Silhouette.
    Patrick verschwendete nicht seine Kraft, ihr lange hinterherzublicken. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, sich der Wellenbewegung anzupassen und in einen gleichmäßigen Schwimmrhythmus zu finden. Er

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