Verheißenes Land
Schaufeln, Goldschürferpfannen und anderen Ausrüstungsgegenständen für die Goldsuche. Ihr Ziel waren zweifellos die Goldfelder im Sacramento-Tal oder in den Bergen der Sierra Nevada.
»Vorher müssen wir allerdings erst einmal in Erfahrung bringen, was wir unbedingt mitnehmen müssen und wie viel Proviant für so eine lange Reise nötig ist«, warf Liam ein. »Ich hoffe nur, dass unser Geld auch wirklich reicht!«
»Ja, das hoffe ich auch.« Éanna überlegte kurz. »Aber das werden wir heute nicht mehr herausfinden. Also lasst uns nicht den Kopf über etwas zerbrechen, was sich morgen schon noch zeigen wird. Jetzt müssen wir erst einmal eine billige Unterkunft suchen! Und ich denke, dass wir die weniger auf der Hauptstraße, sondern eher in den Seitengassen finden werden.«
Es erwies sich als äußerst schwierig, ein erschwingliches und zugleich doch einigermaßen annehmbares Quartier aufzustöbern. Die ersten beiden Gästehäuser, in denen sie nachfragten, waren bis auf den letzten Schlafplatz belegt. Die nächsten Quartiere hatten zwar noch Betten frei, doch sie starrten vor Schmutz und Ungeziefer. Schon ein kurzer Blick in die engen dunklen Räume genügte den Freunden, um sofort wieder kehrtzumachen.
Bei der fünften Pension, die den vielversprechenden Namen Bettie Fisher’s Clean Jump Off trug, fanden sie schließlich, wonach sie gesucht hatten. Das, was die resolute Inhaberin ihren Gästen bot, wurde dem Namen der Pension tatsächlich gerecht: eine zwar denkbar einfache, aber saubere Unterkunft. Essen servierte sie nicht.
»Ihr habt die Wahl zwischen Doppelzimmer und Schlafsaal«, teilte sie den Freunden mit. »Ein Bett in einem Schlafsaal kostet fünf Cents die Nacht, das Zimmer mit Doppelbett das Doppelte.«
»Schlafsaal!«, entschieden Éanna und Emily wie aus einem Mund, bevor Brendan und Liam die Gelegenheit hatten, etwas dazu zu sagen.
»Ja, aber …«, setzte Brendan auch sofort zu einem Einwand an.
»Wir nehmen den Schlafsaal, Brendan«, wiederholte Éanna mit Nachdruck. »Wir können uns keinen unnötigen Luxus leisten, wir brauchen jeden Cent für die Ausrüstung!«
Liam seufzte. »Stimmt leider.«
Brendan zögerte kurz, nahm dann aber die Entscheidung der Mehrheit wortlos hin.
Bettie Fisher führte sie in den Schlafsaal, der sich im rückwärtigen Anbau befand. Sechzehn eiserne Bettgestelle mit frisch gefüllten Strohsäcken standen hier, jeweils vier in einer Reihe. Entlang der Längswand fiel der Blick auf ebenso viele Metallspinde, deren Türen man mit einem Vorhängeschloss absperren konnte. Für jeden Schlüssel verlangte die Pensionswirtin einen Dollar, den sie bei Auszug zurückerhalten würden. Genauso viel Pfand erhob sie auch für die Bettwäsche, die sie am besten morgens einrollten und in ihrem Spind verstauten, wie Missis Fisher ihnen riet. Anschließend zeigte sie ihnen den Waschraum und den Hinterhof, in dem sich die Latrinen befanden.
»Alles in allem doch sehr ordentlich«, lautete Emilys zufriedenes Fazit, nachdem sie sich mit allem vertraut gemacht und ihre Bettwäsche erhalten hatten.
»Na ja, wenigstens ist es einigermaßen sauber. Aber ein eigenes Zimmer wäre mir schon lieber gewesen«, brummte Brendan verdrossen.
Nicht nur zu Brendans Freude stellte sich wenig später heraus, dass der Schlafsaal nicht voll belegt war. Es gab nur sieben andere Gäste, nämlich eine Familie mit drei Kindern und zwei jüngeren Brüdern des Vaters. An eine Unterhaltung mit ihnen war allerdings nicht zu denken, da es sich um griechische Einwanderer handelte, die erst wenige Monate im Land waren und kaum Englisch sprachen. Aber sie waren freundlich und die Kinder wussten sich zu benehmen.
Éanna und ihre Freunde saßen noch eine gute Stunde auf den Betten und unterhielten sich darüber, was ihnen die nächsten Tage wohl bringen mochten. Um halb zehn erschien Bettie Fisher wie angekündigt im Schlafsaal, löschte die beiden Petroleumlampen und wünschte eine allseits gute, erholsame Nacht.
Kaum war die Pensionswirtin gegangen, als Brendan von seinem Bett aufstand und zu Éanna huschte, um ihr einen Gutenachtkuss zu geben.
»Ich wünschte, du wärst nicht so weit weg von mir«, flüsterte er sehnsüchtig.
»Ich glaube, was immer du deiner Liebsten da gerade ins Ohr flüsterst, würde ich gern auch meiner Emily sagen«, kam von der gegenüberliegenden Seite die aufgekratzte Stimme von Liam. »Was fünf Cents doch für einen Unterschied machen können!«
»Halt bloß deine
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