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Verheißenes Land

Verheißenes Land

Titel: Verheißenes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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durfte plötzlich niemand mehr an Bord.
    »Das kommt davon, wenn man es mal nicht als blinder Passagier versucht, sondern einen ehrlichen Fahrpreis bezahlt«, murmelte Liam müde und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, während er Emily an der Hand hielt. Fürsorglich achtete er darauf, sie in dem Gedränge auf der Pier sicher an seiner Seite zu halten. Liam hatte ein solch ausgeglichenes Wesen, dass er sogar in dieser misslichen Situation Ruhe und Gelassenheit bewahrte.
    Ganz im Gegensatz zu Éannas Freund Brendan. Im ersten Moment entgeistert, dann mit sichtbarer Empörung starrte er den bulligen Bootsmann an, der ihnen mit einem dicken Prügel in der Hand den Weg zur Lewis & Clark versperrte. Hinter ihnen drängte sich unter dem dunklen Nachmittagshimmel eine ungeduldige Menge aus Männern, Frauen und Kindern jeden Alters und jeder Gesellschaftsklasse. Sie alle wollten möglichst schnell auf den Raddampfer, denn in der letzten Stunde waren schiefergraue Wolken über St. Louis aufgezogen und schon fielen die ersten Regentropfen. Eben noch hatte Brendan geglaubt, sich in wenigen Augenblicken mit Éanna und den anderen im Schutz der überdachten Decks unterstellen zu können – und nun hatte der Bootsmann dem Einschiffen ein abruptes Ende bereitet.
    »Das kann nicht Euer Ernst sein, Mann!«, stieß Brendan ungläubig hervor. »Wir haben Tickets für das Schiff! Verfluchte acht Dollar hat jeder dafür bezahlt und damit haben wir das Recht, ebenfalls an Bord zu gehen!«
    Der Bootsmann, ein Schrank von einem Mann, dessen kantiges Gesicht von Narben übersät war, bedachte den Achtzehnjährigen mit einem geringschätzigen Blick.
    Brendans rotes Haar stand wirr in alle Richtungen von seinem Kopf ab und die Nasenflügel bebten vor Zorn. Doch weder seine Wut noch seine kräftige Statur beeindruckten den Bootsmann, denn er überragte Brendan um Haupteslänge.
    »Sehe ich vielleicht aus, als würde ich Scherze machen, Paddy?«, blaffte er laut genug zurück, damit ihn auch die übrigen Wartenden auf der Pier hörten. »Wasch dir gefälligst deine dreckigen Ohren! Ich sage es nur noch einmal: Die Lewis & Clark ist voll! Das war’s! Ihr könnt auf den nächsten Dampfer nach Independence warten.«
    Und während die Menschen in der Menge laut aufstöhnten, fügte er noch hämisch hinzu: »Außerdem ist die Lewis & Clark kein Schiff, sondern ein Boot, kapiert? Aber für solche Unterscheidungen fehlt euch irischen Kartoffelfressern wahrscheinlich der nötige Grips.« Er steckte sich ein daumenlanges Stück Kautabak in den Mund und grinste provozierend. »Sonst noch was, Paddy?«
    Brendan schoss das Blut ins Gesicht. Nur mühsam konnte er sich beherrschen, die Beleidigung des Bootsmanns nicht mit einem Faustschlag zu beantworten.
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage, dass wir auf irgendeinen anderen Dampfer warten!«, stieß er hervor. »Ich sehe doch, dass auf der Lewis & Clark noch Platz für uns ist! Euer Captain will nur so schnell ablegen, damit er den Anschluss an die Gallant nicht verliert! Oder glaubt Ihr vielleicht, wir hätten nicht von Eurem dämlichen Wettrennen gehört?«
    »Und?«, gab der Bootsmann höhnisch zurück, während in seinem Rücken zwei weitere muskelbepackte Männer Aufstellung nahmen. »Es bleibt dabei. Die Lewis & Clark legt ohne euch ab. Geht das langsam mal in deinen Irenschädel, Paddy?«
    »Lass es gut sein, Brendan. Bitte!«, flüsterte Éanna eindringlich und fasste ihn am Arm. Niemals würde der Bootsmann sie an Bord lassen. Vielmehr schien er nur darauf zu warten, seinen Prügel gegen Brendan schwingen zu können. Und Éanna kannte Brendan gut genug, um zu wissen, dass jetzt nicht mehr viel fehlte, bis er die Beherrschung verlieren und den ersten Schlag austeilen würde. Dieser sinnlose Wortwechsel konnte nur ein böses Ende nehmen. »Es bringt doch nichts.«
    »Ja, und auf einen halben Tag mehr oder weniger kommt es nun auch nicht mehr an«, pflichtete Liam ihr rasch bei.
    Emily nickte. »Das bisschen Verzögerung lohnt die Aufregung wirklich nicht, Brendan. Wir kommen schon noch früh genug nach Independence, um uns dem Treck von diesem Nathan Palmer anzuschließen. Wir haben es doch viel schneller hierher nach St. Louis geschafft als gedacht.«
    Éanna warf ihnen einen dankbaren Blick zu. »Genau. Ob wir nun heute oder erst morgen den Fluss hochfahren, macht wirklich keinen großen Unterschied.«
    Doch Brendan reagierte nicht, sondern nahm seinen Blick nicht eine Sekunde vom

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