Verhext: Roman (German Edition)
Reih und Glied dann schwebt.
Dies ist mein Wille, also geschehe es.«
Alle Teller auf dem Laufband hoben sich langsam in die Luft. Ungläubig sah sich Lauren im Restaurant um. War sie tatsächlich die Einzige, die die zweihundert schwebenden Teller bemerkte?
»Die Menschen sehen im Allgemeinen nur das, was sie erwarten zu sehen«, sagte Jamie. Er drehte sich um, um
den kleinen Jungen hinter ihm anzugrinsen, der entzückt die Teller beobachtete. »Kleine Kinder sind da eine Ausnahme.«
Leise senkten sich die Teller wieder, außer einem mit Edamame-Bohnen, der zu dem begeisterten Kleinen flog.
Zum zweiten Mal in weniger als zehn Minuten spürte Lauren, wie ihr Hirn aufhörte zu arbeiten. Dieses Mal war sie nicht ganz sicher, ob es je wieder damit anfangen würde. Der Mann ließ Teller schweben. Hunderte von Tellern, mit einem Spruch, der sich verdächtig nach »Doppelt plagt euch, mengt und mischt« angehört hatte.
Hastig nahm Lauren einen winzigen Teller mit Gebäck vom Laufband. Schokolade half immer, wenn sie unsicher war. Eigentlich hielt sie sich für einen ziemlich rationalen Menschen, aber diese Teller waren geflogen, daran gab es keinen Zweifel. »Ist das Telekinese, oder so? Wie haben Sie das gemacht?«
»Es ist eine Form von Telekinese. Es gibt viele verschiedene Arten von Macht. Wissenschaftler neigen dazu, nur das Ergebnis zu sehen. Wenn man etwas mit Kraft der Gedanken bewegt, geben sie der Sache einen schicken Namen und nennen es Telekinese. In der Welt der Hexen arbeiten wir mehr mit dem Wie. Ich habe die Luft gerufen, damit sie meine Macht leitet. Genauso gut hätte ich hier drinnen Wind wehen lassen oder die Kerzen ausblasen können, aber ich wollte nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen.«
Schwebende Teller waren raffinierte Magie? Lauren gab sich redlich Mühe, das Unmögliche zu begreifen.
»Die Worte, die Sie gesagt haben – war das eine Art Zauberspruch?«
»Ja. Manche Hexen arbeiten ohne Worte und Reime, doch die meisten von uns finden, dass es einen Zauber stärker macht. Doch man muss sie eigentlich nicht aussprechen; das habe ich nur gemacht, damit Sie sich auf mich konzentrieren.«
»Und wo lernt man so was?«
Jamie grinste. »In der Hexenschule.«
Lauren stellte sich vor, wie Kinder auf Besenstielen in einer Reihe standen, und lachte. Der Junge ganz vorne in der Reihe trug einen dampfenden Kessel und sah verdächtig wie Jamie aus.
»Ich dachte, Nell hätte gesagt, dass Kessel außer Mode sind.« Lauren hielt inne, auf einmal ganz und gar nicht mehr amüsiert. »Moment, das war nicht ich, die das gedacht hat. Und Sie haben es nicht gesagt. Wie kommt es, dass ich es sehe? Verschwinden Sie sofort aus meinem Kopf!«
Jamie hobt erneut die Hände. »Bitte nicht schießen. Ich bin nicht in Ihrem Kopf. Ich habe nur mit ein bisschen mehr Energie meine Gedanken projiziert, und Sie haben sie gehört. Das kann nicht jeder, selbst wenn ich die Lautstärke höher drehe.«
»Wollen Sie mir etwa sagen, dass ich Ihre Gedanken gelesen habe?«
»So ähnlich. Sie haben eine Idee gelesen, die ich losgeschickt habe, das ist nicht ganz dasselbe. Sie können gerne versuchen, ob Sie noch etwas anderes zu fassen bekommen, wenn Sie wollen.«
Lauren konnte nie lange böse sein, wenn sie etwas amüsierte. Sie musste lachen. »Ich wette, den Spruch bringen Sie bei allen Frauen.«
Jamie guckte verwirrt und lachte dann ebenfalls. »So habe ich es zwar nicht gemeint, aber ich werde mir den Spruch merken. Der ist gut.«
Sie sah Jamie inmitten von Bademoden-Models. Schließlich siegte ihr Sinn für Humor über ihren Ärger. »Hey! Lassen Sie das.«
»Tut mir leid, das war wahrscheinlich zu viel des Guten.« Jamie blickte auf ihre Hände, und Lauren realisierte, dass sie die Stäbchen wie eine Waffe hielt. Sie richtete sie gegen einen Hexer, der ihr Bilder von Playboy-Bunnys schickte. Sehr Furcht einflößend – gut gemacht, Lauren.
Jamie nahm noch einen Teller mit Windbeuteln und reichte ihn ihr. Sie hatte das Gebäck auf ihrem Teller offensichtlich übel zugerichtet. Nun, immerhin hatte er den Teller nicht herüberfliegen lassen. Er saß inzwischen einfach da und sah sie an.
»Was ist?«
Jamie zuckte die Achseln. »Ich will sehen, wie sehr Sie das alles aus der Fassung gebracht hat.«
Oh, ziemlich sehr aus der Fassung. »Ich treffe nicht jeden Tag Männer, die Teller schweben lassen können.«
»Das auch. Aber ich meinte, weil Sie vielleicht selbst eine Hexe sind. Es gibt zwar keinen Grund,
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