Verhext
muß ein paar Briefe schreiben.«
»Was? Oh, nein. Nicht das geringste.« Pettigrew machte eine Handbewegung in Richtung seines Schreibtisches. »Bedienen Sie sich.«
»Außerdem bräuchte ich Ihren Wachstopf. Ich hoffe, das stört Sie nicht?«
»Drüben neben dem Globus.«
»Das ist sehr freundlich.«
»Sie können sich an meinen Schreibtisch setzen, um Ihre verdammten Briefe zu schreiben.« Pettigrew seufzte abgrundtief. »Ich werde, weiß Gott, wahrscheinlich keine Möglichkeit haben, ihn zu benutzen, solange diese Meute hier ist. Ich weiß nicht, warum meine Frau mitten in der Saison so viele Leute einladen mußte. Ich habe ihr gesagt, daß sie jederzeit das Stadthaus nehmen kann, wenn sie unbedingt Gäste empfangen will.«
»Sie ist zu Recht stolz auf dieses Haus. Nicht jeder Landsitz kann sich rühmen, einen Vestatempel zu haben.«
»Es wäre etwas anderes, wenn auch noch die dazugehörigen Jungfrauen da wären«, sagte Pettigrew. »Aber eine Jungfrau ist heutzutage etwas ebenso Seltenes wie ein Einhorn oder ein Phönix, nicht wahr?«
Marcus blickte aus dem Fenster auf den sanft abfallenden Rasen. »Ein Phönix?«
»Sie wissen doch, dieser sagenumwobene Vogel, von dem es heißt, daß er sich aus seiner eigenen Asche erhoben hat.«
»Ich habe das Interesse an sagenumwobenen Vögeln zu derselben Zeit verloren wie mein Interesse an Jungfrauen«, sagte Marcus.
»Was für ein wunderbarer Abend.« Iphiginia sah hinauf in den klaren Nachthimmel.
Sie hatte Marcus gebeten, mit ihr hinaus auf die Terrasse zu gehen und noch ein wenig den ruhigen Sommerabend zu genießen, ehe sie sich zurückzogen. In Wahrheit jedoch wollte sie von ihm wissen, was er in Pettigrews Bibliothek herausgefunden hatte. Sie hatte schon den ganzen Tag gehofft, sich einmal unter vier Augen mit ihm unterhalten können, doch es hatte sich nie die passende Gelegenheit geboten.
Nun, da sie ihn hier draußen unter dem Sternenhimmel für sich allein hatte, war es plötzlich nicht mehr ganz so eilig, mit ihm über seine Nachforschungen zu sprechen. Iphiginia stellte fest, daß sie sich in Wahrheit nur danach gesehnt hatte, ein paar ruhige, ungestörte Augenblicke mit ihm zu verbringen.
Es war beinahe Mitternacht. Nach dem Essen und Kartenspielen waren die meisten Gäste bereits oben in ihren Schlafzimmern.
Die Stadt erlebte zwar momentan den Höhepunkt der Saison, aber hier gab es keine endlose Runde von Bällen und Soireen, die einen bis zum Morgengrauen auf Trab hielten. Ein paar Tage auf dem Land boten demnach die Gelegenheit, sich von der Hektik des Stadtlebens ein wenig zu erholen.
Eine sanfte Brise bewegte die Blätter der Bäume. Die Luft war schwer vom Duft der Blumen. Iphiginia atmete tief ein. Sie genoß den Nachtgeruch.
»Auf alle Fälle ist es heute nacht klar.« Marcus lehnte an der reich verzierten Balustrade und starrte in den Himmel. »Ich würde eine Menge darum geben, jetzt auf meinem Gut in Yorkshire zu sein.«
»Warum?«
»Weil dort mein neues Teleskop steht.«
»Teleskop? Sie interessieren sich für Astronomie?«
»Ja.«
Iphiginia war fasziniert. Egal, wieviel sie über diesen Mann herausfand, er schien immer neue, überraschende Seiten zu haben. »Das wußte ich gar nicht, Mylord.«
Er verzog den Mund zu einem leichten Grinsen. »Dachten Sie, Sie hätten bei Ihren Vorbereitungen für Ihr kleines Rollenspiel bereits alles herausgefunden, was es über mich zu wissen gibt?«
»Nein, natürlich nicht.« Sie spürte, daß sie errötete. »Aber ich dachte, ich hätte mich recht eingehend mit Ihren Interessen beschäftigt.«
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Marcus blickte nach wie vor unverwandt in den Nachthimmel. »Das war nur ein kleiner Lapsus. Mein Interesse für Astronomie ist Ihnen sicher deshalb entgangen, weil es noch nicht besonders alt ist. Meine Studien der Eigenschaften von Licht und Spiegeln haben mich dazu geführt.«
Iphiginia schob die Frage nach Pettigrews Wachstopf und Siegel für einen Augenblick beiseite. Sie war viel zu gespannt, neue Dinge über den Mann zu erfahren, den sie liebte. »Wie haben diese Studien Sie zur Astronomie geführt?«
»Ganz einfach.« Marcus sah sie kurz an, ehe er wieder in den Himmel blickte. »Wenn man die Sterne beobachtet, sieht man vor allem Licht. Und mit Hilfe von Spiegeln kann man Licht so bündeln, daß man über weite Entfernungen in den Himmel blicken kann.«
»Sie meinen Spiegel, wie man sie in Teleskopen verwendet?«
»Ja. Außerdem kann man mit
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