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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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aus der Armee entlassen worden waren, und meinte,
sie sollten doch Wendell in Cadillac besuchen, jetzt, wo sie
wußten, wo er steckte und was für ’ne gottverdammte
Berühmtheit er war. Seither schliefen sie auf Wendells
Fußboden und auf seinem Sofa und tranken Whiskey am Nachmittag
und abends durchstreiften sie die Bars, und Grady war zweimal zum Zug
gekommen – und sogar Charlie, der als Folge einer
Wirtshausrauferei in Tulsa aussah, als hätte jemand sein Gesicht
mit einem Dosenöffner bearbeitet, hatte eines Nachts eine fette
Rothaarige abgeschleppt, die es sich zwar im letzten Moment anders
überlegen wollte, aber so lief das eben nicht. Und trotz allem,
es war nicht so wie in alten Zeiten. Charlie und Grady waren
dieselben geblieben, aber Wendell wußte, er nicht.
    »Was hilft alles nichts?« erkundigte sich Charlie.
»Meine Güte, bist du ’ne fade Tranfunzel, Wendell.
Warst du doch früher nicht!«
    »Kennst mich eben nicht, du Arsch«, sagte Wendell.
    Charlie schnaubte abfällig, aber Grady, der ungefähr
dreimal soviel Hirn hatte wie Charlie – nicht, daß das
eine besondere Leistung dargestellt hätte –, sagte ruhig:
»Verdammt, du bist ’ne Berühmtheit, Wendell, aber froh
bist du nicht darüber. Was frißt denn so an dir?«
    »Du weißt, in wie vielen Fernsehsendungen ich schon
drin war?« fragte Wendell.
    »Nee. In wie vielen?«
    »In sieben.«
    »Sieben?«
    »Und die Zeitungsartikel kommen noch dazu.«
    »Ich war noch nie in der Zeitung«, warf Charlie ein.
    »Und nichts davon hilft«, sagte Wendell. Plötzlich
schleuderte er sein Glas gegen den Fernseher. Whiskey flog in einem
dünnen, braunen Strahl durch die Luft wie Kotze. Das dicke Glas
traf den Fernsehschirm, und er zerbarst. Das Glas fiel
unbeschädigt zu Boden und rollte zwischen die Scherben und den
herumliegenden Abfall.
    »Wozu soll denn das gut sein, du bescheuerter Spinner?«
brüllte Charlie. »Jetzt isses vorbei mit der
Glotze!«
    Grady starrte Wendell plötzlich aus schmalen Augenschlitzen
an.
    »Nichts davon hilft«, wiederholte Wendell und vergrub
das Gesicht in den Händen.
    »Du meinst, damit du deine Kinder zurückkriegst«,
sagte Grady leise. »Nichts davon hilft dir, deine Kinder
zurückzukriegen.«
    Wendell antwortete nicht.
    Grady griff nach der Flasche, überlegte es sich anders und
ließ sie auf dem zerkratzten Couchtisch stehen. Statt dessen
sah er Wendell nachdenklich an. Charlie kippte noch ein Glas. Das
Telefon klingelte.
    »Verdammt, laß es klingeln«, sagte Charlie, aber
Grady hatte schon abgehoben.
    »Nein, der is’… nein, er ist nicht da. Ja, kann ich
machen… Lewis Pearson, ist gut. Von den A.A… Ich sagte doch
schon, daß er nicht da ist!« Grady sah Wendell an, der
immer noch das Gesicht in den Händen vergraben hatte.
    Grady legte auf. »Wiederum dein Bürge von den A.A.,
Wendell.«
    »Sag ihm, er kann mich mal!«
    »Er sagt, in zwanzig Minuten kommt er her.«
    »Den machen wir fertig«, frohlockte Charlie.
    Wendell nahm die Hände vom Gesicht und sah Charlie an. Er
hatte seine Freunde zwei Jahre lang nicht gesehen und auch nicht
erwartet, sie je wiederzusehen. Sie gehörten in eine andere Zeit
– in eine Zeit vor dem Knast, als er noch nicht aufgehört
hatte zu trinken, als er noch nicht beschlossen hatte, Saralinda
zurückzubekommen. In eine Zeit, als er noch nicht mal den
Streitern des göttlichen Bundes beigetreten war. Diese Zeit
sollte doch eigentlich vorbei sein, die ganze Sauferei, die
Lokaltouren, das Weitersaufen und die Schlägereien danach und
dann, nach zweiundsiebzig Stunden, wenn man kaum noch auf den Beinen
stehen konnte, die Rückkehr zur Basis und hinterher ein voller
Tag normaler Dienst – da war man stolz darauf, weil man es
schaffte. Grady und Charlie, die schafften das immer noch.
    Grady war nicht sehr groß, vielleicht
einsfünfundsiebzig, und fünfundsiebzig Kilo schwer, aber er
war zäh. Und klug. Klüger als Wendell. Vielleicht klug
genug, um Offizier zu werden, wenn er es gewollt hätte, aber er
hatte es nie gewollt – außerdem, zu dem Zeitpunkt, als
alle bei den Marines wußten, wie klug Grady war, wußten
sie auch, was für eine Plage er war. Er bekam eine unehrenhafte
Entlassung, und Wendell hatte keine Ahnung, wie Grady jetzt seinen
Lebensunterhalt verdiente, obwohl er so seinen Argwohn hegte. Aber
vielleicht war Grady auch klug genug, um sich nicht erwischen zu
lassen.
    Charlie war nicht klug. Er war ein Klotz und bösartig und
kräftig. Einsfünfundachtzig und

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