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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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mindestens hundert Kilo
schwer – und kein Gramm Fett dabei. Wendell hatte zugesehen, wie
Charlie ein kleines Auto hochgehoben hatte – ein ganzes
verdammtes Auto! – und es auf den Mann fallen ließ, der
glaubte, darunter ein gutes Versteck gefunden zu haben. Der Mann
starb. Keiner hatte es Charlie anhängen können, aber nur
deshalb, weil Grady so klug war.
    Und Wendell hatte gedacht, die beiden nie wiedersehen zu
müssen.
    Aber er hatte schon eine Menge gedacht, oder nicht? Er hatte
gedacht, wenn er sich aus allem raushielte und zu den Anonymen
Alkoholikern ginge und einen Dauerjob bekam, dann würde ihm das
seine Kinder zurückbringen. Er dachte, daß Briefeschreiben
und Auftritte im Fernsehen, bei denen er den Leuten erklärte,
was in der Siedlung vor sich ging, seine Kinder zurückbringen
würde. Er hatte gedacht, mit offenen Karten zu spielen wäre
der richtige Weg. Und was, zum Geier, geschieht? Der
Gerichtsmediziner macht eine zusätzliche Obduktion, und –
was für eine Überraschung! – es stellt sich heraus,
daß alles koscher ist – und eine gute Gelegenheit, seinen
Arsch zu retten, weil er die Sache beim erstenmal verpatzt hat! Die
verdammten Medien verlieren das Interesse an Wendell, weil seine
Story nicht mehr brandheiß ist, und dieser Gauner Peterson hat
die seine und läßt Wendell fallen. Petersons Artikel war
der letzte, der erschien, und darin sah Wendell aus wie ein
Lapparsch, ein Verlierer, der winselnd von einem zum anderen rannte,
weil er als Kind nicht genug Zuwendung erhalten hatte.
    Alle hatten ihn im Stich gelassen.
    Das hatten sie, verdammt noch mal – alle! Peterson und
die Moderatoren der Talkshows und der Leichenbeschauer und der
Anwalt, der angeblich Wendell seine Kinder zurückgeben konnte
und der rein gar nichts getan hatte. Und in allererster Linie
Saralinda.
    Saralinda.
    Der Gedanke an sie schmerzte Wendell immer noch unter den Rippen,
schlimmer noch als jeder Tritt in jeder Schlägerei. Saralinda
mit ihren braunen Augen und ihrem süßen zarten Körper
und ihrer hübschen Stimme… Sie war das Beste, was ihm je im
Leben zugestoßen war. Aber sie war auch das Schlechteste, denn
mit ihrer Dickköpfigkeit, was die Streiter anging, und ihrer
Blindheit, ihrer verdammten, albernen…
    »Wendell! Ich fragte, ob du mir überhaupt
zuhörst, Mann! Wendell, der Typ von den A.A., ist auf dem Weg
hierher!«
    Charlie sagte: »Den machen wir fertig!«
    »Halt dein bescheuertes Maul, Charlie!«
    »Sag du mir bloß nicht, ich soll mein bescheuertes Maul
halten!« stieß Charlie hervor, und wenn er es zu jemand
anders gesagt hätte als zu Grady, wäre Wendell
augenblicklich in Deckung gegangen. Charlie war bewaffnet, er war
immer bewaffnet. Aber Grady konnte solche Sachen zu Charlie sagen, an
die andere besser nicht mal dachten, weil Grady Charlies Arsch
mehr als einmal aus dem Dreck gezogen hatte. Und Charlie, so
belämmert er auch war, wußte das. Die beiden hielten
zusammen.
    Und sie hielten auch zu ihm. Charlie und Grady waren die
einzigen, die weiterhin zu ihm hielten. Wo war Saralinda? Wo war
Peterson? Wo war der verdammte Anwalt, der gestern angerufen hatte,
um Wendell zu sagen, daß sein letzter Antrag, Wendells Kinder
loszueisen, vom Gericht abgelehnt worden war? »Tut mir leid,
Wendell.« Ja. Leid. Als ob es seine Kinder wären.
Dem lausigen Anwalt, dem war das wurscht! Die einzigen Freunde, die
Wendell hatte, waren Grady und Charlie.
    »Ich weiß, daß du es möchtest, Mann«,
sagte Grady.
    Wendell starrte ihn über den Rand seines neuen, wiederum
leeren Glases hinweg an. »Daß ich was möchte?«
    »Ich weiß, daß du deine Kinder zurückhaben
möchtest. Hast du das nicht gerade gesagt?«
    Wendell war gar nicht aufgefallen, daß er laut gesprochen
hatte. Nun, vielleicht hatte er. Was machte es schon aus. Was, zum
Henker, machte irgend etwas aus?
    Grady fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wendell,
du weißt, ich stecke meine Nase nicht in fremde
Angelegenheiten, und ich stelle auch keine persönlichen Fragen,
wenn ich denke, es geht mich nichts an, aber du und ich und Charlie,
wir kennen uns doch schon ’ne ganze Weile, hab ich
recht?«
    »Verdammt recht«, nickte Wendell und griff nach der
Flasche. Herrgott, das Zeug schmeckte gut. Wiederum eine Lüge
vom Rest der Welt: der Schnaps war nicht schlecht für ihn. Der
Schnaps war das einzige, was ihn in einer Welt am Leben hielt, die
nichts für ihn übrig hatte und ihm bloß seine Kinder
wegnahm.
    »Du sagst, du hast

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