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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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›Wasser‹
so dick wie Sirup und hing in langen, haarfeinen Fäden von dem
Stab. »Das ist Desoxyribonukleinsäure. DNA.«
    »Das?«
    »Das«, sagte Lederer und kehrte zu seinem Stuhl und
Kozinskis Notizbuch zurück.
    Cavanaugh starrte das Becherglas an. Das war es. Der Stoff, aus
dem Menschen gemacht waren! Der Stoff, der sie groß oder klein,
männlich oder schön oder athletisch oder genial oder
farbenblind oder mit einem Loch im Herzen oder als Zwillinge zur Welt
kommen ließ. Der Stoff in jeder Zelle jedes menschlichen Wesens
auf der ganzen Welt. Der Stoff, der nach fünf, zehn oder
fünfzig Jahren Idiotie oder Diabetes oder Veitstanz, ja selbst
Krebs einschaltete. Der Stoff, an dem Wissenschaftler
herumschnipselten und ihn zu etwas anderem machten. Der Stoff, der
Ben Kozinski und Julia Garvey umgebracht hatte, weil sie soviel von
diesem letzten Geheimnis verstanden.
    Cavanaugh griff wieder nach dem Stab, er konnte einfach nicht
anders. Er hob ihn aus dem Becher, und die langen Haarfäden
hoben sich mit ihm, zäh wie heiße Mozzarella. Cavanaugh
starrte die Substanz an.
    Und nieste.
    DNA-Fäden und -Tröpfchen flogen von dem Stab über
den Tisch, an die Wand – über nahezu alles in dem
Kämmerchen. Cavanaugh ließ den Stab ins Becherglas
zurückfallen, und etwas von der Flüssigkeit platschte auf
die Tischplatte. O Gott, was hatte er jetzt wieder angestellt! Aber
Lederer hatte gesagt, das Zeug sollte ohnedies weggeleert werden
– und er hatte es auch nicht wie etwas Gefährliches
behandelt…
    Er hörte ein Geräusch hinter sich und drehte sich um.
Lederer saß starr da, weiß wie ein Gespenst. Cavanaugh
hatte noch nie jemanden so bleich gesehen, ohne daß dieser
nicht eine Sekunde später in Ohnmacht gefallen wäre. Er
stürzte auf Lederer zu, aber der winkte ab; er hatte gar nicht
beachtet, was Cavanaugh mit der DNA passiert war, sondern starrte in
Ben Kozinskis Notizbuch – und zwar auf die letzte Seite.
    »Mein Gott«, flüsterte er.
    »Was denn? Was ist denn?« fragte Cavanaugh.
    Lederer wurde noch eine Nuance weißer im Gesicht. Offenbar
war ihm ein weiterer Gedanke gekommen.
    »Was haben Sie gefunden?« drängte Cavanaugh.
»Wissen Sie jetzt, was Verico vorhat?«
    Lederer starrte auf das Heft, das sich in seiner Faust verbog.
»Ja«, sagte er; seine Stimme war immer noch ein
Flüstern. »Und es gab noch weitere Publikationen in den
letzten paar Monaten… Ben war nicht der einzige, der diese Spur
verfolgte, er war nur der Beste… Goldberg am Cold Spring
Harbor… Keith Wolfe an der Uni San Francisco… und meine Arbeit! Meine eigene Veröffentlichung, erst vor zwei
Monaten…!«
    »Doktor Lederer«, sagte Cavanaugh. »Bitte sagen Sie
mir, worum es sich handelt.«
    Lederer sah hoch zu ihm – ein Mann, den weder die Mafia noch
das Justizministerium in Panik versetzen konnte, ein kühler,
scharfer Verstand: jetzt sprach nackte, tödliche Angst aus
seinem bleichen Gesicht. »Diese Leute können es machen,
Cavanaugh. Es ist praktisch durchführbar, absolut
durchführbar.«
    »Machen – was?«
    Lederer sagte es ihm.
    Cavanaugh stolperte zum nächsten Telefon.

Wendell
Botts hieb mit der Faust auf die Fernbedienung und schaltete das
TV-Gerät ab.
    »He, Mann, was soll denn das? Die Sendung war noch gar nicht
aus!« maulte Charlie. Er streckte die Hand nach der
Fernbedienung aus und warf Wendells Glas um. Four Roses ergoß
sich über den Couchtisch.
    »Schau dir das an, Charlie!« rief Grady. »Schade um
den guten Whiskey. Wendell, willst du dich denn nicht zu Ende
ansehen?«
    »Nee!« knurrte Wendell. Er griff nach der
Four-Roses-Flasche und merkte, daß sie leer war.
»Verdammte Scheiße!«
    »Reg dich nicht auf, wir haben ja noch ’ne
Flasche«, sagte Grady. »Warum willst du dich denn nicht zu
Ende ansehen?«
    »Ich war noch nie im Fernsehen«, warf Charlie ein.
    »Wirst du auch nicht reinkommen, du mit deinem Gesicht«,
sagte Grady.
    »Kannst mich.«
    »Reich mal die Flasche rüber. Wendell, warum willst du
denn nicht den Rest sehen?«
    »Hilft doch alles nichts«, sagte Wendell, goß sich
ein und leerte das Glas. »Rein gar nichts hilft, zum
Geier!«
    Grady und Charlie sahen einander an, aber Wendell fing den Blick
auf. Den ganzen Nachmittag tranken sie schon – verdammt, die
ganze beschissene Woche soffen sie schon zu dritt, seit dem Tag, als
Grady Wendell in irgendeiner Fernsehsendung in New York City gesehen
hatte und Charlie anrief, den er nie aus den Augen verloren hatte,
seit sie alle drei

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