Verico Target
könnte.«
»Dauert«, stellte Neymeier unbestimmt fest.
»So schnell es eben geht. Ist wichtig.«
»Gemacht«, sagte Neymeier und drehte sich zurück zu
seinem Terminal, als wäre es ein Magnet.
Cavanaugh schüttelte schweigend den Kopf; eine solche
Anziehungskraft. Ausgehend von einer Maschine! Er kehrte zu
seinem Tisch und zu seiner Hypothese zurück.
Vericos erste Wahl hatte nein gesagt: nein danke, ich will den Job
nicht, ich bin glücklich, dort, wo ich jetzt bin. Also hatte
Verico Kozinski gefragt. Und dort, bei Verico, war ihm dann etwas
vorgesetzt worden, das ihn so entsetzte, daß er sogar seine
übliche narzißtische Konzentration auf seine eigene
Vollkommenheit und seinen üblichen narzißtischen
Wutanfall, wann immer es zu einem Anschlag auf diese persönliche
Vollkommenheit kam, vergaß. Es mußte etwas wirklich
Entsetzliches gewesen sein.
Aber warum hatte Verico das Entsetzliche nicht auch dem ersten
Wissenschaftler verraten, den man dorthin zu einer Vorsprache
eingeladen hatte?
Verico hatte es ihm verraten – oder ihr; es war wichtig,
stets daran zu denken, daß es auch eine ›Sie‹ sein
konnte –, denn das war der Grund dafür, daß er/sie
den Job abgelehnt und ans FBI geschrieben hatte.
Warum hatte er/sie nicht unterschrieben?
Teufel, das war ganz einfach! Weil man es hier tatsächlich
mit der Mafia zu tun hatte! Und die hatte den Bewerber mit Drohungen
zum Schweigen verdonnert. Aber dieser Wissenschaftler war obendrein
mit einem Gewissen ausgestattet, und so regte er sich eine Weile
darüber auf und entschloß sich dann, einen anonymen
Schrieb an die Justiz zu riskieren, um so sein Gewissen zu beruhigen.
Cavanaugh fand es überraschend, wie viele Leute das taten. An
manchen Tagen sah der Posteinlauf aus wie die Sammlung anonymer
Autoren des Oxford-Buches englischer Prosa.
Aber falls alle diese Mutmaßungen stimmten, weshalb hatte
die Sippschaft nicht auch den ersten Bewerber getötet, so wie
Kozinski?
Weil sie den ersten besser in der Gewalt hatten. Der erste
Bewerber war verläßlicher, weniger exzentrisch als
Kozinski. Er/Sie verfügte über mehr, was geschützt
werden mußte. Und um ganz sicherzugehen, hatten die Mafialeute
den Bewerber Nummer eins eine Weile nicht aus den Augen gelassen, so,
wie sie Kozinski nach seiner Rückkehr von Verico gefolgt waren.
Sie zapften das Telefon von Bewerber eins an; sie ließen ihn
wissen, daß er beobachtet wurde. Worauf Bewerber eins es
sorgfältig vermied, etwas zu tun, was die Mafia als Bedrohung
hätte auffassen können.
Kozinski nicht. Kozinski hatte um 3 Uhr früh das Haus
verlassen und nahm auch nicht die Route zu seinem Labor am
Whitehead-Institut. Er benahm sich nicht verläßlich. Er
fuhr weg mit einem unberechenbaren Ziel, um mit jemand Unbekanntem zu
reden, und der Mafia gefiel weder unberechenbar noch unbekannt, ja
sie eliminierte des öfteren unberechenbar/unbekannt –
sicher ist sicher. Sie wußte, daß Kozinski seiner Frau
nichts gesagt hatte, denn ohne Zweifel waren im Kozinski-Haus Wanzen
installiert worden, die man entfernt hatte, ehe die Polizei kam. Aber
Kozinski war die 135er entlanggefahren, und das war nicht nur die
Straße, die zu seinem Verhältnis führte, sondern auch
der Weg zu den Bullen, was Cavanaugh ganz deutlich auf Judy Kozinskis
Straßenkarte gesehen hatte. Durchaus möglich, daß
Kozinski auf dem Weg zur Polizei gewesen war, als er ermordet
wurde.
Bewerber Nummer eins hingegen verhielt sich wahrscheinlich auf
eine ruhige und sittsame Art, die die Mafia nicht in Unruhe
versetzte, und so wandelte er immer noch irgendwo unter den Lebenden
– durch eine äußerst überzeugende Drohung so
verängstigt, daß er den Mund kaum mehr zu öffnen
wagte.
Ein drittes Mal ging Cavanaugh hinüber zu den Analytikern.
Neymeier wuchs immer noch in seinen Computer hinein.
»Jim, noch eine Variable zu der Liste mit den
Wissenschaftlern. Liefern Sie mir Daten über diejenigen, die
Kinder haben. Alter, Schulen, was auch immer. Vermutlich können
Sie nicht rausfinden, wie sehr Mami und Daddy ihre Kleinen lieben,
aber geben Sie mir irgendwas, was auf starke Familienbande
hinweist.«
Neymeier starrte ihn an. Cavanaugh fühlte sich wie ein Idiot.
Das war diese verdammte Erkältung. Mit einer Erkältung
konnte man nicht mehr denken. Neymeier sagte: »Rausfinden, wie
groß die Liebe ist? Aus Datenbanken?«
»Machen Sie eben, was Sie können«, sagte Cavanaugh
und zog sich in sein Kämmerchen zurück. Seine Nase tropfte.
Er
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