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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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tränten. Der tiefe, langsame Atemzug
roch so fürchterlich, daß ihm erneut speiübel
wurde.
    »Wir… wir wissen noch nicht genau, wonach wir wirklich
suchen. Könnten Sie vielleicht die Hauptrichtung von Doktor
Kozinskis Arbeit umreißen? Vielleicht weiß ich dann,
welche Fragen ich Ihnen stellen soll.«
    Doktor Garvey schürzte die Lippen. Sie sah aus wie eine
strenge Kinderfrau, die zur Standpauke wegen irgendeiner Missetat
ansetzt. Dankbar klammerte Cavanaugh sich an diesen Eindruck. Er
hatte nichts mit Ratten zu tun.
    Sie sagte: »Doktor Kozinskis Arbeit beschäftigte sich
mit der Hüllschicht von Retroviren. Wissen Sie, was Retroviren
sind?«
    »Man injiziert sie in den Körper«, sagte Cavanaugh
mit einem dankbaren Rückblick auf die New York Times. »Sie enthalten veränderte Gene. Diese neuen Gene
beginnen, sich wie verrückt zu vermehren und erzeugen Proteine
zur Heilung von Krankheiten.«
    »Also… nicht unbedingt ›wie
verrückt‹«, stellte Frau Doktor Garvey fest und
schürzte die Lippen noch ein wenig stärker. »Und die
Heilung von Krankheiten ist auch nicht ganz so einfach. Aber
grundlegend ist das richtig, was Sie sagen. Wissen Sie etwas
über die Codierungsregionen von retroviraler DNA?«
    »Nein.«
    Die Lippen schürzten sich. »Also gut. Dann fangen wir
von ganz vorne an.« Sie holte ein Blatt Papier unter dem
Durcheinander auf dem Tisch hervor und zog einen Kreis, den sie
rundum mit winzigen vorstehenden Höckern versah. Die Zeichnung
erinnerte Cavanaugh an die Winterreifen seines ersten Wagens, eines
76er-Chevys. Ins Innere des Kreises zeichnete sie eine doppelte
Schlangenlinie und teilte sie sechs verschieden lange Abschnitte:

    »Das ist ein Virus. Diese sogenannten ›Knobs‹
rundum, das sind Hüllproteine. Im Innern befindet sich die RNA,
welche zu DNA wird, sobald das Virus in eine Körperzelle
eindringt und sich dort zu teilen beginnt. Das hier sollen RNA-Gene
sein, die sechs verschiedene Funktionen haben…« – sie
klopfte mit der Bleistiftspitze auf die sechs Abschnitte der Schlange
im Inneren des Kreises –, »die Steuerungssequenz, welche
die Aktivität der viralen Gene und den Einbau viraler DNA in die
Zell-DNA beeinflußt; dann haben wir hier eine Codierungsregion,
E-N-V, welche die Proteine der Virushülle – der
›Knobs‹ – festlegt; die nächsten beiden
Abschnitte bestimmen Proteine des Enzyms Reverse Transkriptase und
des Innenkörpers des Virus; dieser fünfte Abschnitt, P-S-I,
ist von entscheidender Bedeutung für den Einschluß von RNA
in Viruspartikeln. Bei der Gentherapie wird P-S-I abgeschaltet, was
heißt, daß das Virus nicht mehr sich selbst reproduzieren
kann, sondern nur noch die veränderte DNA. Und der letzte
Abschnitt ist wieder eine Steuerungssequenz. Ist das soweit
klar?«
    »Ja«, nickte Cavanaugh. Es war nicht klar, nicht alles
davon, aber Detailfragen konnte er auch später stellen. Nachdem
er erfahren hatte, was Kozinski vorgeschwebt war. Und nachdem sein
Magen aufgehört hatte zu rebellieren. Eine Ratte starrte ihn
zwischen den Gitterstäben hindurch unverwandt an.
    »Gut«, sagte Frau Doktor Garvey. »Ben
beschäftigte sich mit der Codierungsregion E-N-V. Er
interessierte sich für den genauen Mechanismus, mit Hilfe dessen
die Viren in gesunde Körperzellen eindringen. Sehen Sie
her…«
    Eine neue Zeichnung neben dem Winterreifen mit Schlange:

    »Das hier ist die Wand einer Körperzelle, die soeben
infiziert wird. Alle diese Dinger hier sind verschiedene in
die Zellwand eingebettete Strukturen. Das Virus bindet sich an eine
geeignete Stelle, den Rezeptor, bricht die Zellwand auf und dringt in
die Zelle ein. Ben war dabei, genau diesen Vorgang zu studieren:
welche Proteine als Botenstoffe ausgesandt werden, welche Gene ihre
Produktion regeln, wie die Rezeptoren erkannt werden… Mister
Cavanaugh, fühlen Sie sich nicht wohl?«
    Mister Cavanaugh fühlte sich ganz und gar nicht wohl. Ein
junger Mann mit Pferdeschwänzchen drückte sich mit einem
entschuldigenden Lächeln an Cavanaugh vorbei und öffnete
eine Käfigtür. Er griff hinein und zog eine Ratte am
Schwanz heraus, und in diesem Moment spürte Cavanaugh, daß
ein weiterer Niesreiz bevorstand.
    »D-D-Doch!«
    Doktor Garvey sah ihn zweifelnd an. »Nun ja, also die
spezifischen Proteine, an denen Doktor Kozinski arbeitete, nennt
man…«
    Die Ratte an den Fingern des jungen Assistenten zappelte und
quiekte. Matschig aussehende Wunden bedeckten ihr Hinterteil, und sie
roch nach Fäulnis.

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