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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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ernsthaft – zu sagen.
»Genau wie wir anderen auch, Robert. Auch wenn du im Innersten
der Meinung bist, die Sünden der Menschheit könnten dich
noch eines Tages ans Kreuz bringen.«
    »Nicht die deinen«, hatte er daraufhin immer nachsichtig
geantwortet. Mit der Nachsicht hatte er auch nichts ausgerichtet.
    Nun, er hatte nicht vor, sich einer dummen Erkältung
geschlagen zu geben. Er schleppte sich ins Bad, hustend und niesend,
nahm eine Dusche und versuchte, sich zu rasieren. Der Elektrorasierer
surrte, gab ein kurzes statisches Knacksen von sich und stellte die
Funktion ein.
    Cavanaugh starrte ihn böse an. Das Ding war erst zwei Jahre
und vier Monate alt! Er hatte den Garantieschein, wußte genau,
wo er sich in seiner Garantieschein- und Gebrauchsanweisungslade
befand. Diesmal würde er die Sache durchziehen: er würde an
die Erzeugerfirma schreiben, sein Geld zurückverlangen und sie
wissen lassen, was für Schund sie herstellte! Es war eine
Schande. Der ganze Produktionssektor ging in die Binsen.
    Er stand in Unterhosen vor dem Spiegel, räusperte sich und
schniefte und griff nach einem Gilette-Wegwerfrasierer. Und diese
Dinger würde er, verdammt noch mal, von jetzt an immer
verwenden! Das Telefon klingelte. Felders vermutlich. Einen Mentor zu
haben hatte seinen Preis – der Mann war eine wandelnde
Einpersonenweckerfabrik. Cavanaugh ging ins Schlafzimmer, eine
Gesichtshälfte eingeschäumt, und griff sich den
Hörer.
    »Hallo?«
    »Robert? Du klingst ja schrecklich!«
    Marcy. Abrupt ließ Cavanaugh sich auf die Bettkante fallen.
»Ist bloß eine Erkältung.«
    »Klingt eher nach doppelseitiger Lungenentzündung. Warst
du schon beim Arzt?«
    »Noch nicht.« Marcy glaubte an Ärzte. Cavanaugh
auch – in der Theorie. Er ging zu keinem. »Aber ich werde
es tun, wenn du es mir rätst.«
    »Na klar! Seit wann hörst du denn auf etwas, was ich dir
rate? Robert, ich rufe wegen dieser Briefe an.«
    »Die Briefe«, krächzte er und bedeckte den
Hörer, um zu niesen. Er hatte ihr vergangene Woche noch drei
Stück gefaxt, das letzte davon erst am vergangenen Abend. Es war
die Zeichnung einer üppigen, spärlich bekleideten Marcy,
der sich ein Häschen um den Kopf wand. Darunter stand: MARCY HAT
TIERISCH VIEL UM DIE OHREN.
    »Diese Briefe. Robert, bitte laß das sein.«
    »Warum?«
    »Warum?«
    »Ja, warum?«
    »Du bist wirklich der einzige Mensch, den ich kenne, der so
dumm fragen würde. Jeder andere wüßte, warum. Weil wir geschieden sind. Weil ich dich nicht mehr liebe. Weil es
schmerzlich ist, die gleichen Briefe zu kriegen wie damals, als ich
dich noch liebte. Und weil es peinlich ist, wenn die stellvertretende
Leiterin der Abteilung Marketing im Bikini und mit einem Hasen auf
dem Kopf aus dem Firmenfax kommt!«
    »Warum liebst du mich nicht mehr?« fragte Cavanaugh.
Sein Kopf fühlte sich an wie nasse Wolle.
    »Bitte, Robert, keine hartnäckige Fragerei heute. Keine
Suche nach Fakten, damit man sie zu kompakten kleinen Bündeln
verschnüren kann. Und keine Briefe mehr.«
    Cavanaugh nieste. Rasierschaum flog durch die Luft. Seine Augen
tränten. Als er wieder klar sehen konnte, sagte er: »Ich
faxe dir keine Briefe mehr ins Büro.«
    Marcys Stimme kletterte in unbekannte Höhen: »Und auch
sonst nirgendwohin! Keine Briefe, keine Faxe, keine e-Mail! Gib es
auf! Gib ein einzigesmal in deinem Leben endlich etwas auf!«
    »Zeichnungen über e-Mail sind schwierig«, sagte
Cavanaugh und legte auf, ehe sie ihm noch irgend eine Zusage abringen
würde. Er konnte damit leben, keine Faxe mehr in ihr Büro
zu schicken. Kein Problem.
    Er legte den Hörer neben das Telefon, damit sie nicht noch
mal anrufen konnte. Dann saß er zehn Minuten lang auf der
Bettkante und starrte es an, bevor er seine Morgentoilette
beendete.
     
    »Hören Sie zu«, sagte Felders und steckte den Kopf
in Cavanaughs abgeteilten Arbeitsplatz, »Sie haben um vierzehn
Uhr einen Termin bei der wissenschaftlichen Beraterin am Staatlichen
Institut für Gesundheitswesen, Doktor Julia Garvey. Sie ist
durch mit Kozinskis Aufzeichnungen.«
    »Okay«, sagte Cavanaugh. »Um vierzehn
Uhr.«
    »Sie hören sich ja schrecklich an! Ist das
ansteckend?«
    »Ja.«
    »Gehen Sie zum Arzt. Und atmen Sie mich nicht an.«
Felders Kopf verschwand.
    Cavanaugh kehrte wieder zu den Papieren zurück, die sich in
ordentlichen Stößen auf seinem Schreibtisch stapelten, um
sie noch einmal durchzugehen, nur für den Fall, daß ihm
irgend etwas entgangen war. Obwohl er das nicht

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