Verirrte Herzen
plötzlich das Bild dieser Frau auf. Diese unergründlichen Augen. Die hochgezogene Augenbraue. Die makellosen Beine. Die langen, schwarzen Haare. Die helle Haut, die strahlend weißen Zähne. Anne schüttelte den Kopf, um die Bilder zu vertreiben.
Den ganzen Vormittag wurde sie bei der Arbeit ständig durch ihre Gedanken abgelenkt, die immer wieder zu Nora Stegner wanderten.
Nora. Sie ließ den Namen langsam auf ihrer Zunge zergehen. Das klang genauso geheimnisvoll, wie die ganze Frau wirkte. Ihr Herz klopfte schneller.
Endlich war der Feierabend gekommen, und sie konnte aus der Praxis fliehen.
Als sie mit Lilly zu Hause ankam, hing Caros Mantel schon an der Garderobe. Sofort schoss Anne durch den Kopf, dass etwas passiert sein müsste. Noch nie war Caro um diese Zeit zu Hause gewesen.
Mit einem Strauß bunter Blumen wartete Caro im Wohnzimmer auf sie. Sie räusperte sich.
»Ich wollte mich für den gestrigen Abend entschuldigen und dich überraschen.« Caro sah Anne erwartungsvoll an. Ein Strahlen funkelte Anne aus den blauen Augen entgegen.
Die Überraschung war Caro gelungen, keine Frage. Anne blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Sie runzelte ihre Stirn und wartete schweigend auf weitere Erklärungen. Caro, die bemerkte, dass Anne sie gespannt ansah, ergänzte: »Ich habe mir den heutigen Nachmittag freigenommen, um bei euch zu sein. Vielleicht könnten wir drei ins Kino gehen. Da läuft doch dieser neue Disneyfilm. Der würde Lilly sicherlich gefallen.«
Lillys Stimme riss Anne aus ihrer Starre. »Ich will unbedingt ins Kino. Bitte Mama, wir müssen auf jeden Fall ins Kino gehen«, bettelte ihre Tochter.
»Das ist eine tolle Idee«, freute sich Anne. Sie drückte Caro fest an sich und hauchte ein kaum hörbares »Danke« in ihr Ohr, ehe sie Caros Lippen mit einem zärtlichen Kuss verschloss. Ihre Finger strichen sanft über Caros Wangen.
Plötzlich tauchte Noras Gesicht vor Annes Augen auf. Sie schreckte schuldbewusst zurück.
»Alles klar?« fragte Caro besorgt.
»Ja, ja. Mir ist nur gerade etwas eingefallen«, murmelte Anne. Sie löste sich aus der Umarmung und stellte die Blumen in eine Vase. Dabei ließ sie sich übertrieben viel Zeit. Sie musste diese Frau aus ihrem Kopf verbannen.
Caro – ihre Caro –, mit der sie glücklich zusammenlebte, die sie auf Händen trug, hatte sich mit einer gelungenen Überraschung entschuldigt, ihr gezeigt, dass es für sie Wichtigeres als die Kanzlei gab. Alles war wieder gut. Da war kein Platz für andere Frauen. Das war auch nicht nötig. Sie hatte doch alles, was sie wollte. Caro war ihre große Liebe, die perfekte Partnerin an ihrer Seite.
Einen Kinobesuch hielt Anne für eine gute Idee, um sich abzulenken. In Caros Arme geschmiegt würde sie Nora sicherlich schnell vergessen. Sie würden sich einen richtig schönen Freitagnachmittag machen.
Mit einer riesigen Tüte Popcorn bewaffnet machten sie es sich in den bequemen Kinosesseln gemütlich. Anne und Caro hatten zwei Plätze nebeneinander und kuschelten sich eng zusammen. Lilly fand, sie hätte den besten Ausblick vom Sessel links neben ihrer Mutter, und ließ sich dort nieder.
Kurze Zeit später flimmerten bunte Zeichentrickfiguren über die Leinwand, und Lilly verfolgte gebannt das Geschehen.
Die beiden Frauen zeigten weniger Interesse am Film. In der Dunkelheit hielten sie Händchen wie verliebte Teenager. Ihre Finger waren eng miteinander verschlungen. Ein warmer Strom durchfloss Anne. In Caros Nähe fühlte sie sich sofort sicher und geborgen. Sie schloss ihre Augen und atmete Caros Duft tief ein. Ihr Herz schlug schneller. Eine Armada von Schmetterlingen tanzte wie verrückt in ihrem Bauch.
Plötzlich beugte sich Caro über Anne und hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Vorsichtig strich sie Annes Locken zur Seite und flüsterte ihr ins Ohr: »Wenn wir gleich zu Hause sind, küsse ich jeden Zentimeter deiner Haut und lasse meine Zunge langsam an deinem Körper hinunterwandern.«
Caros Atem hinterließ ein sanftes Prickeln und sorgte für eine Gänsehaut auf Annes Rücken. Sie spürte, wie Caro ihr die Hand auf den Oberschenkel legte und dort ruhen ließ. Nur der Daumen kreiste mit sanftem Druck auf der Innenseite ihres Schenkels.
Anne musste ein Stöhnen unterdrücken. Ein leises Seufzen kam dennoch über ihre Lippen. Sie nahm Caros Hand von ihrem Bein und hielt sie fest. Das war besser so.
Endlich war der Film zu Ende. Doch ehe
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