Verirrte Herzen
sie sich auf den Rückweg machen konnten, forderte Lilly noch ein Eis.
»Bitte, bitte«, flehte sie und sah Caro mit ihren großen Kinderaugen ganz unschuldig an. Schnell ließ sich Caro erweichen, auch wenn sie sich viel lieber allein mit Anne die Zeit vertrieben hätte. Der Abend war schließlich noch lang genug.
Caro nahm Lilly auf den Arm, damit sie an der Theke einen besseren Blick auf die zahlreichen Eissorten hatte. Am Ende entschied sie sich jedoch wie immer für Schokoladeneis.
Gemütlich schlenderten sie zu Caros Wagen.
Erst jetzt fiel Anne auf, dass diese unheimliche Frau tatsächlich in den letzten Stunden nicht mehr in ihren Gedanken aufgetaucht war, was sie sehr erleichterte. Das Wochenende konnte kommen.
Kaum hatte Anne am Montagmorgen die Praxis betreten, erregte eine wartende Patientin ihre Aufmerksamkeit. Es war Nora, die in ein Magazin versunken auf ihre Behandlung wartete. Sie schien nichts um sich herum zu sehen.
Annes Blick fiel auf ihre endlos langen Beine. Der schwarze Rock war bis zur Mitte der Oberschenkel nach oben gerutscht. Die Waden steckten in dazu passenden schwarzen Stiefeln. Mit einem Mal waren alle Gedanken, die Anne so erfolgreich verdrängt hatte, wieder da.
Schnell, um möglichst nicht bemerkt zu werden, ging sie an ihr vorbei in den Aufenthaltsraum. Sie verstaute die Tasche in ihrem Spind und atmete tief durch. Vielleicht konnte sie einen Kollegen bitten, den Termin zu übernehmen. Aber was würde das für ein Bild abgeben? Die Frau war nett, es war nichts vorgefallen. Jedenfalls nichts, was sie als Erklärung benutzen konnte, warum sie ihre Patientin nicht weiter betreuen wollte.
Es half nichts, sie musste die Behandlung selbst hinter sich bringen. »Frau Stegner, Sie sind an der Reihe«, sagte Anne, angestrengt um Gelassenheit bemüht.
Die schöne Frau stand auf. Sie schien förmlich zu schweben. Ihre Schritte waren trotz der Knieverletzung elegant, ihre Hüfte wiegte sich sanft im Takt ihrer Bewegungen. Ihr schlanker, durchtrainierter Körper zeichnete sich unter dem knappen roten Top genau ab. Anne musste schlucken. Nora sah wirklich umwerfend aus.
»Legen Sie sich doch bitte wieder dort drüben auf die Liege«, forderte Anne ihre Patientin auf.
Nora beugte sich sofort mit geraden Beinen nach vorn, um ihre Stiefel zu öffnen. Anne musste unweigerlich auf den schönen Po sehen, den sie ihr entgegenstreckte. Langsam streifte Nora ihren Rock ab, auch wenn das gar nicht nötig gewesen wäre, immer im Bewusstsein, dass Anne sie ganz genau beobachtete. Dann kam sie der Aufforderung endlich nach und legte sich auf die Liege.
»Vielleicht könnten wir uns duzen«, schlug Nora ganz harmlos vor, so als wäre nichts gewesen. Mit einer Hand strich sie eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
»Hm, ja sicher«, stotterte Anne etwas hilflos. Noras viel zu langsame Entkleidungszeremonie hatte sie aufgewühlt. Anne wischte mit dem Handrücken die kleinen Schweißperlen weg, die sich auf ihrer Stirn gebildet hatten.
»Vielleicht solltest du mir dann noch verraten, wie du heißt. Wer ich bin, weißt du ja schon«, lachte Nora. Sie zwinkerte Anne verschwörerisch zu.
»Anne«, war alles, was sie herausbrachte. Ihr Mund war ganz trocken geworden.
»Ein sehr schöner Name. Er passt zu dir.« Wie beim letzten Termin zog sie wieder ihre Augenbraue hoch.
Anne wurde schwindelig. Nora wusste offensichtlich genau, wie sie Anne um den Verstand bringen konnte.
Aber genug jetzt, sie mussten sich an die Arbeit machen.
Die beiden führten zahlreiche Übungen durch. Es ging schon sehr gut. Vielleicht kam die Patientin mit zehn Terminen aus. Danach würde sie Nora nicht wiedersehen müssen. Das wäre sicherlich das beste.
»Was du da machst, fühlt sich richtig gut an«, unterbrach Noras rauchige Stimme Annes Überlegungen.
Sie konnte Noras intensive Blicke auf ihrem Körper spüren. Deren Augen wanderten von ihrem Gesicht über den Oberkörper nach unten und blieben schließlich in ihrer Mitte hängen.
Anne wandte sich erschrocken ab. Ihr wurde schrecklich heiß.
»Es tut mir leid. Aber bei so gutaussehenden Frauen kann ich einfach nicht anders.« Nora zuckte mit den Schultern. »Du siehst so verdammt sexy aus.«
Annes Herz schlug schneller, ihre Wangen erröteten. Noch nie zuvor hatte sie ein solches Kompliment von einer Patientin bekommen. Es schmeichelte ihr. Doch auf der anderen Seite fühlte sie sich unwohl damit.
Schließlich nahm Anne all ihren Mut zusammen und erwiderte kaum
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