Veritas
Ihr schlafen», mahnte ihn Domenico.
Bei der Rückkehr nach Wien, setzte Atto indessen wieder an, die Empfehlung des Neffen missachtend, ist der Jubel groß: Sogleich formiert sich in der Stadt ein großer Umzug in Richtung auf die Kathedrale St. Stephan, wo ein feierliches Te Deum zelebriert wird. Mit würdiger Zeremonie wird auf dem Neuen Markt eine Säule errichtet, dem Heiligen Joseph, Schutzpatron Österreichs, gewidmet. Sogar Leopold und seine Gemahlin, die erlauchten Eltern, zu denen der junge König nie ein besonders herzliches Verhältnis hatte, sind beglückt über den Triumph der Kaiserlichen Streitkräfte.
Vor diesem Sieg war Joseph nur ein vielversprechender Thronerbe. Nach Landau und dank der Hilfe Marsilis ist er ein Held geworden.
«Doch einen Helden gab es bereits», bemerkte Atto. «Er hieß Eugen von Savoyen, Sieger der großen Schlacht bei Zenta, Schrecken der Türken. Jetzt aber hatte er im Wettstreit um den Ruhm einen Kontrahenten mit einem entscheidenden Vorteil: Er war schön, und er trug eine Krone auf dem Haupt.»
In Wien kochen Leopolds Minister vor Wut. Sie wissen genau, dass Joseph es gar nicht erwarten kann, sie fortzujagen und durch Männer seines Vertrauens zu ersetzen. Die einzige Möglichkeit, ihn aufzuhalten, ist, Druck auf den Vater Leopold auszuüben. Als Joseph im folgenden Jahr bittet, an die Kriegsfront zurückkehren zu dürfen, verweigert der Vater ihm den Wunsch. Die Pressionen der Minister haben gewirkt. Auch Eugen, der es noch immer nicht verwinden kann, dass er im Vorjahr von Josephs Ruhmestaten in den Schatten gestellt wurde, wirkt heimlich daran, die Rückkehr des Deutschrömischen Königs in den Krieg zu verhindern. Die Kämpfe im Rheingebiet gehen derweil weiter, und bald wird die schlechte Nachricht verkündet: Die Franzosen haben Landau belagert und zurückerobert.
«Also steckte auch Prinz Eugen dahinter! Aber das ist doch widersinnig», überlegte ich, «war es denn für ihn und die anderen nicht schmachvoller, den Krieg zu verlieren, als Joseph Ehre und Ruhm zu gönnen?»
«Die Mächtigen sind imstande, die ganze Welt zu zerstören, nur um sich ihren Platz zu bewahren», antwortete Atto. «Und in jenem Moment, unter einem so schwachen Kaiser wie Leopold, war niemand mächtiger als seine Minister, angefangen beim Savoyer.»
Und so gelangen wir zum Jahr 1704. Die Jahreszeit für militärische Kampagnen ist fast vorbei, der Herbst steht vor der Tür. Die Streitmächte des Reiches und der Alliierten wollen das Jahr um jeden Preis mit einem wichtigen Sieg beschließen. Man kommt überein, sich auf Landau zu konzentrieren und es dem Feind wieder abzunehmen. Am 1. September trifft endlich der junge König ein. Erst nach großen Widerständen hat der Vater Leopold nachgegeben und ihn an die Front ziehen lassen. Auf dem Kampfplatz empfangen ihn Eugen von Savoyen und der Kommandant der verbündeten englischen und niederländischen Truppen, der berühmte Marlborough, ein enger Freund Eugens. Jetzt, da der Held der ersten Belagerung vor zwei Jahren auf den Plan tritt, müssen sie das Feld räumen. Sie werden an den Fluss Lauter geschickt, um den Operationen Rückendeckung zu geben, während der Markgraf von Baden Joseph mit siebenundzwanzig Bataillonen und vierundvierzig Schwadronen vor Landau empfängt.
Auch dieses Mal bietet der Befehlshaber der belagerten französischen Garnison, Laubanie, Joseph an, seine Kanonen nicht dorthin zu richten, wo der König nächtigen oder sich aufhalten wird, und erneut antwortet Joseph, er sei aufs beste geschützt und werde hingehen, wo immer er wolle, ohne jemanden davon in Kenntnis zu setzen.
«Joseph der Sieghafte hat vielleicht nicht gewusst, dass auch bei dieser zweiten Belagerung Landaus die Regel des Schachmatts zur Anwendung kam», sagte Atto, «und zwar in der nobelsten Weise.»
«Was wollt Ihr damit sagen?»
«Ein gewisser Graf Raueskoet, Josephs Gefährte bei Treibjagden, war in Versailles vorstellig geworden und hatte erklärt, Joseph pflege während der Vorbereitungen zum Kampf ohne Geleit in der Nähe der französischen Linien auf die Jagd zu gehen. Es wäre ein Kinderspiel gewesen, ihn dabei zu ergreifen. Nun, Ihre Majestät lehnte den Vorschlag entrüstet ab und verbannte den Verräter augenblicklich aus Frankreich, ja, er unterrichtete die Kaiserlichen sogar von Raueskoets Verrat. Vergiss das nicht, Junge: Schachmatt: ja, aber Töten zwischen Herrschern und gleichrangigen Fürsten: nie.»
Die Schlacht beginnt,
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