Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
Vom Netzwerk:
werden in seinen Trinksprüchen zum Gedenken erklingen und darob zu neuem Leben erweckt. Jeder redliche Mann wird seinem Sohn diese Geschichte erzählen, und von morgen an bis zum Ende aller Zeiten wird der Tag von Landau nie mehr vergehen, ohne dass wir dabei genannt werden: unsere kleine Schar, unsere glückliche kleine Schar, wir, eine Handvoll Brüder, denn wer morgen sein Blut mit mir vergießt, der wird mein Bruder sein. Wie niedrig auch immer sein Stand ist, von diesem Tag an wird er erhoben sein, und viele Männer, welche zur Stunde im Bett, in der Heimat verweilen, werden sich als Verdammte fühlen, weil sie am morgigen Tage nicht unter uns waren, und geschmälert in ihrer Männlichkeit, wenn sie den erzählen hören, der mit uns gekämpft hat, hier in LANDAAAUUU!!!»
    Seine Worte hatten sich nach und nach in Schreie verwandelt, rings um den König und sein gezücktes Schwert applaudierten die Soldaten lachend und weinend vor Rührung. Joseph aber wandte sich lächelnd an den Infanteristen, der kurz zuvor noch über die fehlende Verstärkung geklagt hatte: «Nun, Soldat, verspürst du immer noch das Bedürfnis nach Verstärkung?»
    «Potztausend, Majestät», antwortete dieser und erhob mit Tränen in den Augen die Faust, «ich wollte, ich könnte allein an Eurer Seite gegen die französischen Hunde kämpfen, nur Ihr und ich!»

    «Und Prinz Eugen, war der nicht auch dabei?», fragte ich den Abbé aufgeregt, welcher, vom langen Erzählen erschöpft, einen Augenblick innehielt und an einem Glas Wasser nippte.
    Atto stellte das Glas auf den Nachttisch, antwortete aber nicht auf meine Frage.
    «In der Nacht vor dem letzten Kampf schläft keiner, weder die Kaiserlichen noch die Franzosen», fuhr er stattdessen fort. «Du musst dir vorstellen, wie in jener Nacht ein düsteres Murmeln das Gewölbe des Universums erfüllt.»
    In den Lagern beider Heere herrscht eine so große Stille, dass die Wachtposten das Flüstern der feindlichen Wachen zu hören meinen. Auf beiden Seiten flackern die Feuer, im Schein der Flammen glaubt jeder Soldat das Gesicht des Feindes zu erblicken, hier wie dort hallt das drohende Wiehern der Schlachtrösser durch die Nacht. Und in den Zelten versorgen Waffenschmiede die Reiter, geschäftige Hämmer verstärken die Gelenkstellen der Rüstungen, warnend erklingen die Vorbereitungen zur Schlacht. Stolz auf ihre Überzahl und ganz ohne Furcht spielen die Franzosen selbstgewiss und blutdürstig mit Würfeln und ärgern sich, dass die Nacht, diese hässliche, verkrüppelte Hexe, nur so langsam weichen will.
    Auch Joseph schläft nicht. Die Offiziere bieten ihm ihre Gesellschaft an, doch er lehnt ab und verlässt das Zelt: «Ich habe noch etwas mit meinem Gewissen zu verhandeln, und anderen Trost begehre ich nicht.»
    Er lässt sich von einem Adjutanten einen Umhang mit Kapuze geben, die sein Gesicht verbirgt, und streift als namenloser Hauptmann durch das Lager.
    Die Soldaten sind am Ende ihrer Kräfte. Ihre traurigen Mienen, die hohlen Wangen, die vom Krieg zerschlissenen Uniformen lassen sie wie eine Masse grässlicher Gespenster erscheinen.
    Doch der königliche Hauptmann dieser ausgelaugten Schar, jener, der schon bald Joseph der Sieghafte genannt werden wird, geht von einem Feuer zum anderen, von einem Zelt zum nächsten und hat für jeden einen Gruß und ein freundliches Lächeln bereit. Alle heißt er Brüder, Freunde, Landsleute. Sein warmherziger Blick schließt gleich der Sonne niemanden aus; vor ihm verfliegt jede Furcht. In dieser Nacht dürfen alle, ohne es zu wissen, ein wenig an der Aura ihres jungen Königs teilhaben.
    Unter seiner Kapuze versteckt, unterhält er sich mit einer Gruppe Fußsoldaten. Einer von ihnen sagt: «Morgen werden wir vielleicht sterben, der König aber muss nichts fürchten. Gewiss schläft er friedlich in seinem Zelt. Zwar kämpft auch er, doch er ist nicht wie wir.»
    Da entgegnet Joseph: «Ich dagegen glaube, dass der König, entkleidet man ihn des Pompes, der ihn umgibt, ein Mann ist wie du und ich.»
    Bevor das Morgengrauen anbricht, ist er allein. «Unser Leben, unsere Schuld, unsere Sünden: Alles lastet auf mir», murmelt er. «Welch ein hartes Los ist es, Zwillingsbruder der Größe und dem Murren der Dummen preisgegeben zu sein! Welch unendliche Ruhe, dem König verwehrt, genießen die gemeinen Bürger! Und was besitzen die Könige, was nicht auch jene haben, außer dem Prunk? Was bist du, königliches Gepränge, eitler Abgott? Wie oft empfängst

Weitere Kostenlose Bücher