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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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der Edelmänner und zum Schaden der unschuldigen Jugend, welche genötigt ward, das wenig erbauliche Schauspiel anzuschauen.
    «Im Sommer geht Dragomir an den Fluss, zieht sich aus, springt hinein, ruft: ‹Oh, wie herrlich!›, und kaum hat er den unvermeidlichen Nachahmungsdrang der Passanten geweckt, steigt er rasch aus dem Wasser und läuft, die Wachen zu benachrichtigen, worauf er seinen Lohn erhält.»
    «Noch so ein Spion wie Danilo. Nein, schlimmer», staunte ich.
    «Halb-Asien …», flüsterte Simonis mir ins Ohr.
    «Populescu macht sich gewiss nicht viele Freunde bei diesem Gewerbe.»
    «Oh, ganz im Gegenteil: Er hat eine Menge Freunde. Es sind diejenigen, die nichts von seinem doppelten Spiel wissen: die Hühner, die er rupfen wird.»
    Inzwischen waren wir an unserem Ziel in der Vorstadt Neubau angekommen. Wir ließen Penicek auf dem Kutschbock und gingen auf den Eingang der Drey Pauern zu. Das Gasthaus lag in tiefer Dunkelheit.
    «Es ist geschlossen», bemerkte ich.
    «Natürlich. Die Arbeiten, die Dragomir verrichtet, sind … halbamtlich. Wir klettern über das Eingangstor.»
    Es war eine Gaststätte mit einem schönen Garten, in dem sich zwei lange Bahnen für das Bocciaspiel befanden. Sie war menschenleer. Der Grieche runzelte die Stirn.
    «Zu den Sieben Hofstätten!», befahl er Penicek, als wir wieder in der Kalesche saßen, dann wandte er sich zu mir: «Das ist der städtische Schießplatz an der Als, gleich hinter den westlichen Bastionen.»
    «Populescu zu finden ist wohl doch nicht so einfach, wie du dachtest», sagte ich.
    Der Grieche schwieg.

    Auch in den Sieben Hofstätten gab es keine Spur von unserem Mann.
    «Wir werden ihn woanders suchen», kündigte Simonis an, während wir erneut zur Kalesche des Pennals zurückkehrten. «Wir werden alle Bocciabahnen durchkämmen, die er besucht.»
    «Weil du dir so sicher bist, dass wir ihn dort finden?», fragte ich skeptisch.
    «Nach dem Schnee scheint das Wetter wieder besser zu werden.
    Bei den ersten Sonnenstrahlen wird der übliche Strom der Wiener zum Spielen hierherkommen. Und Dragomir erwartet sie mit offenen Armen …», lachte er.
    Der Grieche hatte recht. In vielen Ländern gehörte das Bocciaspiel in der schönen Jahreszeit zum bevorzugten Zeitvertreib der kleinen Leute, ja, es war sogar allzu beliebt, wie Pater Abraham a Sancta Clara beklagte: «Die gemeinen Leuthe fliehen in dem Sommer in die Gärten, Brenthen und Kegelstädt aus, wo das Fluchen und Schwören und folgends darauf das Rauffen und Schlagen meistentheils sich finden läst.»
    «Wie viele Bocciabahnen gibt es denn in Wien und Umgebung?», fragte ich, um eine Vorstellung vom Ausmaß der Fahrten zu bekommen, die uns erwarteten.
    Ich war hundemüde und bereute schon ein wenig, dass ich nicht bis morgen hatte warten wollen, wie mein Gehilfe vorgeschlagen hatte.
    «Sechshundertachtundfünfzig kurze, oder auch Rundbahnen, und dreiundvierzig lange.»
    «Mein Gott! Und wie willst du ihn da finden?», rief ich aus und fürchtete schon, der Grieche sei dem Wahnsinn verfallen.
    «Seid unbesorgt, Herr Meister. Außer den beiden, die wir schon abgesucht haben, gibt es nur noch eine andere Bahn, die Populescu regelmäßig frequentiert. Dort werden wir ihn sicher finden. Doch wenn Ihr müde seid, können wir es auch auf morgen verschieben.»
    «Nein. Fahren wir weiter.»
    «Pennal, beweg die Klapperkiste und lass uns zu dieser Bahn, zu dem Goldenen … wie heißt sie noch gleich? Ach ja, Zum Gulden Engl fahren», befahl Simonis.
    «Zum Gulden Engl? Das im Osten, vor dem Stubenthor, wo die Commorrer, die Stullweissenburger, die Neuheußler, die Brugger und die Altenburger absteigen?», fragte Penicek, eine Reihe von Kutschern aufzählend, die aus verschiedenen Städten des Erzherzogtums Österreichs, des Reiches oder anderswo herkamen und ihre Reisen nach Wien offenbar in jenem Gasthaus zu beenden pflegten.
    «Nein, der andere Gulden Engl, der im Norden, in Währing.»
    «Ah, der an der Alstergasse, ja?»
    «Genau der.»

    Wir inspizierten auch die vierzehn kurzen Bahnen und die lange Bahn des Gulden Engl, doch vergeblich: Alles lag versunken in der Einsamkeit der Nacht.
    «Dabei hätte ich wetten können, dass er hier ist», grollte mein Gehilfe, während wir nach unserem Besuch wieder über die Umzäunung kletterten, um zur Kutsche zurückzukehren.
    «Um Himmels willen», rief ich verzweifelt aus, «erst haben wir Danilo tot aufgefunden, dann Hristo. Und jetzt, behüte uns Gott

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