Veritas
erlassen, weil die Instrumente, welche in dergleichen Lokalen gespielt würden – « Tudlsakh , Leyren oder ander liederliche Geigen » – , nicht würdig seien, Musikinstrumente genannt zu werden. Die Gäste, Menschen von vilioris conditionis , also von niedrigem Stande, würden sich zwischen Bier, Geigen und Tanz unaussprechlichen Freizügigkeiten und abscheulicher Liederlichkeit hingeben.
Da man mit Verboten jedoch nicht viel erreichte (sogar der Kaiser wünschte mehr Freiheit für Wirtsleute, Tänzer und Musikanten), war zu guter Letzt eine Steuer auf den Tanz erhoben worden: Denn was man nicht verbieten kann, das soll man besteuern, wie die weisen Österreicher lehren.
Alle mussten Abgaben zahlen, außer den Adeligen, vorausgesetzt, sie gaben ihre Bälle kostenlos und nicht gegen Bezahlung. Hochzeiten, Taufen, Kirchtage und die unterschiedlichsten Stadtteilfeste unterlagen der Steuer. Die Besitzer von Beisln und ähnlichen Lokalen mussten fünf Gulden im Jahr zahlen, die Lokale innerhalb der Stadtmauern bei öffentlichen Feiern zusätzlich dreißig Kreuzer pro Musikant, bei privaten Feiern sogar einen Gulden! Ergebnis: Es wurde heimlich musiziert und getanzt, oder aber man gab bei der Aufsicht weniger Musikanten an, als tatsächlich spielten. Das Bureau der Kaiserlichen Hofkasse schickte zwar Inspektoren zur Kontrolle, doch die Wirte ließen sie nicht herein, ja, sie bedrohten sie sogar. Auch die Musikanten mussten zahlen: Sie benötigten eine Lizenz zum Spielen. Das Bußgeld für Musikanten ohne Lizenz betrug fünf Gulden.
«Nun, dieses Musizieren ohne Gewerbeschein ist einer der unzähligen Broterwerbe unseres Dragomir», sagte Simonis, den sein Geplauder offenbar vergessen ließ, wie dringend unsere Suche war.
Während mein Gehilfe mich in die Geheimnisse von Populescus Nachtleben einweihte, hatten wir schon etliche Lokale hinter uns und immer noch keine Spur von Populescu. Bei einer Spelunke, wo sich etwa zwanzig Kunden zur Musik eines kleinen Orchesters dem Tanzvergnügen hingaben, sahen wir den Wirt im Gespräch mit zwei Gestalten, die dem Aussehen nach Beamte oder Sekretäre sein mochten. Mitten in der Unterhaltung spuckte der Wirt, ein korpulenter und recht grober Mann, einem der beiden plötzlich ins Gesicht, ohrfeigte ihn mehrmals und rief dann aus dem Inneren des Lokals einige kräftige junge Männer herbei, bei deren Erscheinen die Beamten augenblicklich die Flucht ergriffen.
«Wieder eine Inspektion ohne Ergebnis», bestätigte Simonis lächelnd.
Wir hatten nunmehr sämtliche Tanzveranstaltungen in der Umgebung abgegrast, doch Populescu war unauffindbar.
«Seltsam.» Simonis’ Miene verfinsterte sich. «Ich war fast sicher, wir würden ihn an einem dieser Plätze finden.»
Dann sah ich, wie er sich mit der Hand an die Stirn schlug.
«Wo hab ich nur meinen Kopf? Natürlich! Um diese Zeit wird er bei den Drey Pauern sein! Mach schnell, Pennal!», befahl er.
«Zu den Drey Pauern in der Vorstadt Neubau?», fragte Penicek.
«Ja, genau dahin», antwortete der Grieche.
«Was ist das?», fragte ich.
«Eine Bocciaspielbahn.»
«Um diese Zeit?», fragte ich verblüfft. «Man kann doch unmöglich nachts Boccia spielen!»
«Ihr habt vollkommen recht, Herr Meister, doch die Dunkelheit ist erforderlich, um die Bahn heimlich zu verlängern», antwortete mein Gehilfe freimütig. «So geht unser guter Dragomir oder der Ehrenmann, der ihm den Auftrag gegeben hat, morgen hin und gewinnt das Spiel, und mit ihm seine Komplizen bei der getürkten Wette.»
«In der Welt der Wetten kennen alle Dragomir, haha!», lachte Penicek, zu uns umgewandt, während er auf dem Kutschbock sitzend die Kalesche in Richtung einer kleinen Brücke lenkte.
«Schweig, Pennal! Wer hat dir erlaubt, den Mund aufzumachen?», herrschte der Grieche ihn an.
Zerknirscht starrte Penicek wieder auf die dunkle Straße.
«Aber was kann er denn dabei verdienen?», fragte ich zweifelnd. «Ich habe zwar auch in den Gärten der Adeligen Bocciabahnen gesehen, doch wenn ich nicht irre, gilt das Spiel als Zeitvertreib für gewöhnliche Leute. Und auf Hochzeiten des Plebs Geige zu spielen bringt, denke ich, auch nicht besonders viel ein.»
«Das ist ja der springende Punkt. Populescu bessert seine Erträge auf, indem er den Wachen von Zeit zu Zeit hinterbringt, wer ohne Genehmigung oder ohne Steuern zu zahlen tanzt, musiziert und spielt.»
«Er verkauft sich an seine Feinde?», wunderte ich mich.
«Natürlich nur, wenn er nicht selbst
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