Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
Vom Netzwerk:
Rudolf, der Sohn Maximilians II., darunter leiden. Doch von nun an wird sie eure schärfste Waffe werden!»
    Und ich erinnerte mich: Hatte mein Gehilfe mir nicht erzählt, dass Rudolf der Wahnsinnige, Sohn des Erbauers von Neugebäu, von seinen Erziehern einer Art Gehirnwäsche unterzogen worden war? Simonis und Ciezeber sprachen über einen unsichtbaren Krieg, dessen Akteure Menschen wie Ilsung, Ungnad und Hag waren, jene Konspirateure, die sich gegen Maximilian verschworen hatten.
    Simonis blickte erst zum Himmel, dann warf er mir einen blitzschnellen, unmerklichen Blick zu und senkte schließlich die Augen, um die Löwen zu betrachten, die mit Schaum vor dem Maul hin und her liefen, rasend gemacht von dieser so nahen, doch unerreichbaren Beute.
    «Gut. Du weißt viel und leidest, weil du nichts ausrichten kannst», erwiderte der Derwisch. «Darum hör mir gut zu: Ich sage dir, dass auch Ludwig XIV., König von Frankreich, durch Gift sterben wird. Es wird wie Gangräne an einem Bein erscheinen, aber es wird eine künstlich herbeigeführte Krankheit sein. Die Ärzte, die dümmste Sorte Mensch, werden nichts begreifen. Noch vor dem Sonnenkönig sind in Frankreich der Dauphin, der Herzog und die Herzogin von Burgund sowie ihr Sohn, der Herzog de Berry, an der Reihe. Sie alle werden auf die gleiche Weise sterben, an einer vorsätzlich erzeugten Krankheit. Auch der frühere König von Spanien, Karl II., wegen dessen Erbschaft Europa sich derzeit zerfleischt, wurde mit dieser Methode vergiftet, obwohl er ohnehin nicht mehr lange zu leben hatte. Jetzt weißt du es: Joseph der Sieghafte wird sterben. Heute Abend wird ihm die entscheidende Inokulation verabreicht.»
    Ich fuhr zusammen: Ciezeber sprach über die ärztliche Behandlung, von der Cloridia an diesem Morgen in Eugens Palais erfahren hatte. Doch statt ihn zu heilen, würde sie ihn töten. Also war Joseph sogar von seinem eigenen Proto-Medicus verraten worden! Und wer weiß, von wie vielen anderen noch. Abbé Melani hatte recht gehabt.
    «Der Kaiser wird … wie soll ich sagen?, von den Blattern vergiftet sterben», fuhr der Derwisch fort. «Ein solches Ende verdient, wer sich so mächtig dünkte, dass er ohne uns handeln wollte: der einzige Mann, der allein auf Erden ist.»
    «Ich weiß, soli soli soli », zitierte Simonis.
    «Ganz recht. Mit diesem Satz hat der Aga dem Savoyer angekündigt, wie die Dinge stehen: entweder mit uns oder gegen uns. Der Kaiser dachte, er könne tun, was ihm beliebt: den Krieg auf seine Weise beenden, Spanien mit den Franzosen aufteilen, als würden wir nicht existieren. O nein, der Krieg wird zu unseren Bedingungen enden, wie und wann wir wollen! Denn Joseph glaubt, das Reich zu regieren, aber er ist nur ein einsamer Mann, der nicht einmal mehr über sich selbst entscheiden kann. Soli soli soli sind die Türken gekommen, ‹zum einzigen Mann, der allein auf Erden ist›. Dieser Savoyer, dem die verschlüsselte Rede vertraut ist, hat sehr gut verstanden. Und er hat beschlossen, seinen Herrscher zu verlassen, um sich uns anzuschließen. Da habt ihr euren tapferen General, euren Helden: Auch er ist ein Verräter, wie alle anderen.»
    Ich lauschte entsetzt den Ausführungen Ciezebers. Mit Attos Hilfe hatten wir also die wahre Bedeutung von soli soli soli herausgefunden, jetzt erfuhren wir auch, warum der Aga den Satz zu Eugen von Savoyen gesprochen hatte.
    «Du sagst ‹wir›. Aber wer seid ihr? Osmanen? Engländer? Holländer? Jesuiten?»
    «So naiv bist du? Nein, das glaube ich nicht! Du willst nur, dass ich es dir bestätige, aber du weißt es schon. Wir sind überall, und wir sind alle.»
    Ich blickte mich um: In steifer Haltung lauschten zwei der Häscher der Rede ihres Herrn in einer Sprache, die sie nicht verstanden.
    «Wir sind die wahre Macht», fuhr der Palatino fort. «Er, der Kaiser, ist nicht weniger geächtet und isoliert als irgendein beliebiger Hungerleider. Der Türkische Aga hat Eugen die Wahrheit ins Gesicht gesagt, eine Wahrheit, die vor aller Augen liegt, die aber niemand sieht. Das ist unsere Stärke: Wir sind überall, omnipräsent, aber unsichtbar. Wir essen von eurem Tisch, wir schlafen in euren Betten, wir wühlen in euren Taschen, und ihr seht uns nicht. Wir scheinen wenige, vereinzelte Männer zu sein, in Wahrheit aber sind wir Legion. Ihr meint, ihr seid zahlreich, doch ihr seid nur eine einzige Person: ein Mensch, der allein ist.»
    «Ihr dünkt euch allmächtig, darum habt ihr den Aga diesen Satz öffentlich

Weitere Kostenlose Bücher