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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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wäre die Predigt des Derwischs ihm weitgehend bekannt und als müsse er einen letzten pflichtgemäßen Einwand erheben, ohne dass es noch etwas nutzte. Er glich einem Soldaten, der den letzten Schuss aus seiner Flinte gegen einen übermächtigen Feind abfeuert.
    «Geld und Waffen sind nützlich, das ist richtig», räumte Ciezeber-Palatino ein. «Aber wir sind schon sehr reich, und das langweilt uns. Oder vielmehr: Es gibt keinen Reichtum mehr. Schon jetzt ersetzen wir das Gold durch Papiergeld, das Bezahlen durch Versprechen. Reichtum ist nur eine Idee. Und die mächtigste Waffe ist die Herrschaft über die Ideen. Die Lüge gehört zum Spiel dazu, sie macht es unterhaltsamer. Denn wir sind …»
    «Ihr seid alle verrückt», unterbrach ihn Simonis, in die wenigen Worte den ganzen väterlichen Sarkasmus legend, den törichte Streiche von Kindern, Dummköpfen und Geisteskranken verdienen. «Kein menschliches Wesen ist bereit, das eigene Leben zu opfern, nur um dem Mitmenschen Leid zuzufügen und diese Mission an die Nachkommen weiterzugeben. Ihr ja. Wenn die Welt euren Schändlichkeiten erliegt, dann nur dank der einzigen wirklichen Waffe, die ihr besitzt: der des Wahnsinns.»
    Ciezeber schien überrascht und stand einen Augenblick reglos da. Dann gab er den beiden Häschern ein Zeichen. Einer von ihnen ging auf den Ausgang des Tunnels zu, der aus den Gehegen führte. Dem anderen war es derweil gelungen, seine Pistole neu zu laden, und jetzt richtete er sie auf Simonis’ Beine. Es war klar, was geschehen würde: Der erste Folterknecht würde eines der beiden Gehege leeren, der andere würde Simonis mit einem Schuss verletzen, aber nicht töten. So würde mein Geselle sich in eines der beiden Gehege fallen lassen, und natürlich würde er das leere wählen. Dort wäre er seinen drei Feinden ausgeliefert. Unter Folter würden sie ihm einige interessante Informationen entlocken.
    «Wir werden dich nur eine Weile bei uns behalten», sagte der Derwisch, «dann bist du wieder frei. Natürlich wirst du überall erzählen, was geschehen ist, aber niemand wird dir glauben, nicht einmal deine eigenen Leute. Wir werden dich verleumden und das Gerücht verbreiten, du hättest dich von uns bestechen lassen. Bald wird der Verdacht umgehen, du seiest nicht mehr vertrauenswürdig. Man wird sich fragen: Warum wurde Simonis verschont? Du wirst allein sein, ohne Ehre, ohne Vaterland. Aber lebendig.»
    «Du bist voreilig. Es scheint ja fast, als sei euch alles schon gelungen. Es ist euer Werk, dass die Welt immer schlechter wird, gewiss, aber wenn es nach euren Plänen gegangen wäre, hätte sie schon viel früher verderben müssen! Die Wahrheit ist, dass ihr verzweifelt seid, denn seit Jahrhunderten müht ihr euch, den Glauben an Christus auszumerzen, doch das Ergebnis eurer Mühen bleibt jedes Mal weit hinter euren Erwartungen zurück. Euer Problem ist immer das gleiche: ‹Der Stein, der von den Bauleuten verworfen wurde, ist zum Eckstein geworden›, wie es im Psalm heißt. Das Spiel ist nie ganz entschieden und eures schon gar nicht. Und darum frage ich dich: Seid ihr wirklich so sicher, dass ihr die Welt regiert? Ist euch nie der Verdacht gekommen, dass Gott euch gewähren lässt, ja, dass er euch sogar auserwählt hat für seine unerforschlichen Zwecke?»
    Das waren die gleichen Überlegungen, die wir von Atto gehört hatten, kurz bevor wir im Ort Ohne Namen angekommen waren. Ich lächelte bitter: Der Abbé und Simonis standen wahrlich auf derselben Seite: auf der Seite der Menschen.
    «Die Welt ist der Prüfstein der Seelen, Ciezeber», fuhr Simonis fort, «und ihr seid nichts anderes als die Werkzeuge dieses göttlichen Planes. Alle sind wir Teil der Absichten Gottes, auch verfluchte Seelen wie du. Oder kennst du die Bibel nicht? Weißt du nicht, was im Buch Hiob geschrieben steht? Der Erste, der Inokulierte, war niemand anders als Satan, und er wurde von Gott geschickt, um Hiob mit einer fürchterlichen Krankheit, die ihn von Kopf bis Fuß mit Schwären bedeckte, auf die Probe zu stellen.»
    Der Derwisch zitterte. Vielleicht war es die Kälte. Vielleicht auch Simonis’ Worte.
    «Und um zu uns beiden zu kommen», hub mein Gehilfe wieder an, «bist du dir so sicher, dass alles genau so geschehen wird, wie du es mir vorausgesagt hast? Meinst du nicht, jemand könnte dir im letzten Augenblick das Spiel verderben?»
    Bei diesen Worten suchten Simonis’ Augen mich in der Dunkelheit, und er war sich sicher, dass auch ich ihn

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