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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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aussprechen lassen.»
    «Wir verbergen nie etwas. Ihr seid es, die ihr keine Augen habt, zu sehen.»
    «Nein, Ciezeber, das Volk hat Augen zu sehen, doch angesichts eurer Unmenschlichkeit kann niemand glauben, was er sieht. Und das ist eure wahre Stärke.»
    «Jetzt schweig!», drohte ihm der andere. «Das Haus Habsburg wird bald am Ende sein. Durch Josephs Tod wird Italien früher oder später seinen eigenen König bekommen und Deutschland auch.»
    «Habt ihr darum dieses arme einjährige Kind, den Sohn des Kaisers, von euren Ärzten töten lassen?»
    «Ich weiß, dass es dir unmöglich vorkommt», fuhr der Derwisch fort, ohne zu antworten, «denn Italien zerfällt seit Jahrhunderten in Myriaden von Fürstentümern, und das Deutschland der Kurfürstentümer hat eine jahrhundertealte Tradition. Doch beide werden sich zu zwei großen Nationen entwickeln, während die Habsburger unbedingt enden müssen, denn wir wollen es so, und wir haben die Geschichte in der Hand.»
    «O ja, denn nachdem ihr die Könige und ihre Söhne und Enkel getötet habt, werdet ihr die neuen Erben auf den Thron setzen, allesamt noch Kinder in den Händen von Erziehern, die euch dienen und die jungen Menschen zu schwachsinnigen und grausamen Figuren machen werden», wiederholte Simonis.
    «Das Volk wird sie zu Recht hassen, ihre Köpfe werden unter dem Beil des Pöbels fallen, welcher darob glaubt, die Revolution anzuführen, in Wirklichkeit aber nichts anderes tut, als unsere Pläne zu erfüllen», ergänzte der Derwisch. «Eine neue Ordnung wird die alte Welt ersetzen. Für jedes neue Recht, das wir dem Volk gewähren, werden wir deren zehn abschaffen. Die Gesetze werden sich verbessern, das Leben wird sich verschlechtern. Wir werden die Geschichte umschreiben: Die alten Zeiten werden lächerlich gemacht, und die Menschheit wird davon überzeugt, dass sie in der besten aller Welten lebt. Wir werden künstliche Krankheiten verbreiten, um ganze Nationen zu schwächen. Vielmehr tun wir das schon, schau dir nur an, wie Joseph endet! Die Remedia, die wir liefern, werden schlimmer sein als die Krankheiten. Denn die Medizi und ihre Propaganda sind fast gänzlich in unserer Hand. Wir werden die Kleinen von der Brust der Mutter reißen. Die Völker werden es nicht einmal gewahren, und ihre Schwäche wird sich auf ihre Nachkommen übertragen. Die Kriege, die wir derweil ausbrechen lassen, werden die Dokumente der Vergangenheit zerstören, damit das Andenken an sie verlorengeht und die Welt sich in ein graues Gefängnis verwandelt, wo der Mensch traurig wird und resigniert.»
    «Resignieren fällt manchmal schwer», sagte Simonis, mit einer Kopfbewegung auf die Bestien weisend, die ihn aus dem Graben anknurrten.
    Der Derwisch sprach weiter, es befriedigte ihn, Simonis mit der düsteren Vision einer scheinbar unausweichlichen Zukunft zu demütigen.
    «Alle werden das Leiden als etwas Normales betrachten, und der Glückliche wird verachtet. Oh, wie inständig hoffe ich, dass der Neid die zukünftigen Jahrhunderte prägen und erleuchten möge! Die Masse wird in Unwissenheit leben, Menschen wie dich hingegen, Menschen, die verstehen, werden wir zumindest ein wenig rebellieren lassen. Wir werden euch nicht alle umbringen, wir sorgen einfach nur dafür, euch falsche Propheten vor die Nase zu setzen, die von uns gelenkt sind und euch unter Kontrolle halten. Ja, sie werden einen jeden von euch kennen, falls wir beschließen, euch zu eliminieren. Von eurem Leiden nähren wir uns, es spornt uns an, verleiht unserer Aufgabe etwas Heiteres. Wäre es sonst ruhmvoll, über eine Herde blinder und taubstummer Bestien zu triumphieren? Es liegt keine Größe darin, im Einklang mit den Gesetzen der Natur zu handeln. Die wahre Macht ist, das Wasser des Stromes in die umgekehrte Richtung lenken zu können, den Mittelmäßigen über den Tapferen siegen zu lassen, die Ungerechtigkeit zu belohnen, die Hässlichkeit zu loben. Wir werden die Menschen von der Natur trennen und in große Bienenstöcke ohne Fenster sperren. Schließlich haben sie vergessen, wie ein Hühnerei entsteht, was ein Heuschober ist, wie das gewöhnlichste Löwenzahnpflänzchen aussieht. Unser Triumph wird kommen, wenn wir die Völker auch von Gott getrennt und seinen Platz eingenommen haben. Das ist, was das Schicksal euch bereitet hat: Das Schicksal sind wir.»
    «Ihr mögt ja das Schicksal sein, aber ohne Geld, ohne Waffen und Lügen seid ihr nichts», entgegnete Simonis mit eigentümlicher Ruhe, als

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