Veritas
bezahlst, als wert ist, was du verzehrt hast, wird er warten, bis du sein Haus verlassen hast, wodurch du den heiligen Titel des muzafir verlierst, und dich sodann mit Steinen bewerfen», schloss sie.
«Mein armes Weib», sagte ich bedauernd und umarmte sie.
«Und ich habe dir noch nicht erzählt, was geschah, als sie erfuhren, dass meine Mutter Türkin war. Sogleich holten sie Tamburin, Trommel und Hirtenflöte hervor, schlugen einen immer wilderen Rhythmus und verlangten, ich solle mit ihnen den Holzlöffeltanz tanzen. Dabei verdrehen sie Hüfte und Bauch, und was daran anmutig sein soll, weiß ich wirklich nicht. Aber wo es unzüchtig ist, das sieht man sofort», fügte Cloridia noch immer voller Abscheu hinzu.
«Ich hoffe, sie haben sich zumindest dir gegenüber anständig verhalten.»
«Keine Angst, über all dem Wein, den ich ihnen verschafft habe, haben sie doch nicht vergessen, was der Sultan dem androht, der eine Frau belästigt. Außerdem hat dieser Ciezeber, ihr Derwisch, sie daran erinnert», lächelte Cloridia, als sie ein besorgtes Blitzen in meinen Augen gewahrte.
«Ich habe ihn im Geleitzug gesehen. Aber was tut er unter dem Gefolge des Agas?»
«Er ist ihr Imam, der Priester eben. Ich frage mich nur, warum er kein Türke ist.»
«Ich las, er sei Inder.»
«So sagt man. Auf jeden Fall ist er nicht wie die anderen, er hat ein höchst würdiges Benehmen.»
Ich fragte sie, wie das Innere des Palais aussehe und ob sie bei den offiziellen Unterredungen anwesend gewesen oder wenigstens einmal auf Prinz Eugen gestoßen sei. Darauf erzählte sie mir, der Aga sei, nachdem er den Palast des Durchlauchtigsten Prinzen betreten habe, vom Palastmeister zur großen Treppe und dann in das obere Geschoss geführt worden. Umringt von einer dichtgedrängten Menge aus Nobilitäten, hochstehenden Persönlichkeiten und Kaiserlichen Würdenträgern, sei der osmanische Gesandte hier von zwei Offizieren der Kriegskanzlei empfangen worden, die ihn durch den berühmten, über und über mit Fresken verzierten Ehrensaal und dann durch das Vorzimmer bis in den Audienzsaal geleitet hätten. Der Aga musste wohl sehr beeindruckt von dem großen Andrang gewesen sein, bemerkte Cloridia, auch von der Fülle roter Samtvorhänge mit goldenen Schriftzügen, welche Wände und Sessel bedeckten. Die Festlichkeit des Ehrensaals, der luxuriösen Paramente und der Zuschauer in bebender Erwartung habe ihren Höhepunkt dann in der Öffnung der Audienztür gefunden, hinter welcher sich endlich das strenge Gesicht Ihro Kayserlicher Majestät Herrn Hof-Kriegs-Raths-Präsident, Ihro Hochfürstlicher Durchlauchtigster Printz Eugenii von Savoyen zeigte.
Das Gewand war gänzlich mit Gold bestickt, der Hut geschmückt von einer Kokarde aus Diamanten von unschätzbarem Wert, an der Brust trug er den Orden vom Goldenen Vlies, in der Hand hielt er das Schwert. Er erwartete den Aga in einem Rückensessel unter einem Baldachin aus rotem Sammet, flankiert vom Grafen von Herberstein, dem Vizepräsidenten des Hofkriegsrates, einem Geheimen Referendar und von zahlreichen Generälen. Die große Schar aus Noblen, Kurtisanen und angesehenen Personen war in den Saal geströmt, und alles reckte nun die Hälse, um Einzelheiten der Audienz zu erspähen.
«Eugen ist in Wahrheit alles andere als ein schöner Mann», lächelte Cloridia. «Das Antlitz besitzt keine anmutigen Züge, der Körper ist zu hager. Doch der Gesamteindruck flößt Hochachtung ein.»
Kaum war er vor den Durchlauchtigsten Prinzen getreten, grüßte der Aga ihn nach türkischer Art, indem er dreimal seinen Turban berührte, dann ließ er sich auf einem Sessel nieder, welcher eilig vor den seines Gastgebers geschafft ward. Zunächst händigte der Osmane seine Beglaubigungsschreiben aus, der Prinz nahm sie entgegen und reichte sie sogleich dem Geheimen Referendar weiter. Darauf fand eine Konversation statt, die jedoch keinem der beiden Zugeständnisse abnötigte: Der Aga sprach Türkisch, Eugen Italienisch, welches nicht nur die offizielle Sprache bei Hofe, sondern für ihn, einen Savoyer, auch die Muttersprache ist. Der Kaiserliche Dolmetscher übersetzte, derjenige der Hohen Pforte verbürgte sich bei dem Aga für die Richtigkeit der Übertragung. Nur zu Beginn, erzählte Cloridia, habe der Aga zu Ehren des Heiligen Römischen Reiches einen Satz auf Lateinisch gesprochen: « Soli soli soli ad pomum venimus aureum !» oder auch «Ganz allein sind wir zum Goldenen Apfel gekommen», habe er
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