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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Audienz, welche Prinz Eugen am Tag zuvor dem Aga gewährt hatte. Da aber bemerkte ich die finstere Miene meiner Gattin, ein untrügliches Anzeichen von Kümmernis und Beklemmung.
    Sie küsste mich, legte den Umhang ab und warf ihn aufs Bett.
    «Nun, wie ist es dir ergangen?»
    «Ach, wie soll es mir schon ergangen sein … Diese türkischen Soldaten können nichts als trinken. Und sich in Zügellosigkeiten ergehen.»
    Beflügelt durch die gastfreundlichen Gesten, welche dem Aga zuteilwurden, hatten die niedrigsten Chargen der Osmanen gemeint, ebensolche Würden verlangen zu können, und hatten Cloridia mit unerhörten Forderungen überhäuft.
    «Von allen christlichen Tugenden», seufzte meine Frau, «ist die Gastfreundschaft die einzige, zu deren Ausübung sich die Türken verpflichtet fühlen. Wenn sie das Haus anderer Menschen betreten, sehen sie sich zu allem berechtigt, weil sie muzafir , Gäste, sind. Gemäß ihrer Religion ist es nämlich Gott selbst, der sie geschickt hat, also müssen sie, was immer sie tun, stets willkommen sein.»
    Eine Tugend aber, die sich mit dem äußeren Schein begnüge, fuhr Cloridia fort, leiste ihrem raschem Verfall Vorschub. Unter dem Vorwand des Gastrechts hatten die Osmanen, verärgert über den schlechten Wein aus Stockerau, die Speisekammern geplündert, die Vorräte an Kaffee und Branntwein aufgebraucht, Teppiche, Matratzen und Kissen wild durcheinandergeworfen und sogar Geschirr bei ihren Prassereien zerschlagen, alles auf Kosten der Großzügigkeit des Prinzen Eugen und der Kaiserlichen Kammer.
    «Und wie sie stanken!», rief meine Frau aus. «Im Osmanischen Reich entkleidet man sich nicht zum Schlafengehen, und hier tragen sie wegen der Kälte Tag und Nacht die Pelze, mit denen sie schon monatelang gereist sind. Ganz davon zu schweigen, dass es für die Türken nichts Vornehmeres gibt als einen Pelz und sie daher gedacht haben, in diesem Aufzug eine prächtige Figur zu machen.»
    Da in Konstantinopel nichts mehr gefürchtet sei als die Kälte, fügte Cloridia hinzu, und man sich mit allen Mitteln vor ihr zu schützen suche, sogar in solchen Momenten, in denen wir Europäer schon unter der Hitze leiden, blieben die Osmanen auch in den gutgeheizten Räumen des Savoyardenpalasts fest in ihre stinkenden Pelze gewickelt, ja, sie gaben nicht eher Ruhe, bis sie noch die kleinste Ritze in Fenstern und Türen entdeckt und mit Wachspapier verstopft hatten, damit keine Luft mehr hindurchkam. So habe, während der Aga feierlich von Prinz Eugen empfangen wurde, ringsumher ein chaotisches Kommen und Gehen geschäftiger Osmanen geherrscht, welches wiederum die Beschwerden der Dienerschaft des Palais hervorgerufen habe, und wie Amboss und Hammer hätten diese beiden Gruppen meine arme Cloridia, die Einzige, die zwischen beiden vermitteln konnte, zum Wahnsinn gebracht.
    Der Gipfel war erreicht, als einige Armenier aus dem Gefolge verlangten, einen tandur zu entzünden, um welchen sie sich setzen wollten, trotz der Brandgefahr oder möglicher schwerer Beschädigung des Mobiliars des Erlauchtesten Prinzen.
    «Ein tandur? »
    «Ein Öfchen voll glühender Kohlen. Es wird unter einen Tisch gestellt, auf welchem bis zum Boden reichende Wolldecken liegen. Jeder zieht einen Zipfel der Decke über sich, steckt die Hände und die Arme darunter und hält seinen Körper dergestalt auf einer Temperatur, die wir für Fieber ansehen würden. Ich muss dir nicht sagen, dass die Folge solchen Brauchtums die fürchterlichsten Brände sind. Unter allen Umständen wollten sie ein derartiges Feuer im Palais anzünden, unaufhörlich wiederholten sie, dass sie muzafir seien und so weiter.»
    Das sei nicht alles gewesen, fuhr Cloridia fort. Bei einem Willkommensbesuch des Obersthofmarschalls hätten einige der Türken, um zu zeigen, dass sie mit den Gepflogenheiten von uns Giaurs vertraut sind, aus der Flasche getrunken, fortwährend gerülpst und sich liederlich auf die Diwane geworfen, da sie glaubten, dies gelte uns als vornehm. Als der Obersthofmarschall jedoch in einen der Näpfe auf dem Teppich gespuckt habe, hätten die Osmanen die Augen verdreht und mit wilden Armbewegungen ihrer Bestürzung über ein derart barbarisches Benehmen Ausdruck verliehen.
    «Diese Idee freilich, dass der Gast von Gott geschickt sei, ehrt die Ungläubigen doch eigentlich», griff ich ein, um sie zu besänftigen.
    «Alles nur Schein, mein Lieber: Wenn du einen von ihnen besuchst und ihm beim Abschied nicht zwanzigmal mehr

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