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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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feierlich skandiert, indem er von einem Papier las. Dieser Satz wurde nicht nur wörtlich genommen – in der Tat umfasste das Gefolge des Agas kaum zwanzig Personen –, sondern vorzüglich als eine Erklärung friedlicher Absichten aufgefasst. Der Türke war also ohne jeden Hintergedanken gekommen. Das Blatt, von dem der Aga gelesen, händigte er dann persönlich dem Erlauchtesten Prinzen aus.
    Während der Unterredung sah man Eugen mit einem sonderbaren metallenen Gegenstande von der Größe zweier Daumen spielen, welchen er unaufhörlich von einer Hand in die andere nahm. Nach der zeremoniellen Verabschiedung erhob sich der Aga, wandte sich um und schritt auf die Tür zu. Erst in diesem Moment erhob sich Eugen, da er die ganze Zeit sitzen geblieben war, und lüftete leicht den Hut wie zum Gruße, war jedoch bedacht, indem er sich zu seinen Generälen wandte, dem Aga den Rücken zu kehren, um so seine Überlegenheit kundzutun. Der Türke wurde auf dem Rückweg von denselben Offizieren der Stadtguardia begleitet wie auf dem Hinweg. In seiner Kutsche wurde er mitten durch die Menge bis in seine Unterkunft vor der Stadt eskortiert. Allein dies geschah nur, um die Neugierde der Umstehenden zu befriedigen, denn in Wirklichkeit kehrten der Aga und sein Gefolge noch am selben Abend in das Palais des Durchlauchtigsten Prinzen zurück, woselbst sie sich drei Tage aufhalten würden, auf dass sie der großzügigsten und fürnehmsten Behandlung genossen, welche das Gastrecht gebot.
    «Kurz und gut, die Türken bleiben drei Tage lang Gäste des Savoyers.»
    «So will es der Prinz, um sie sonderlich zu ehren.»
    «Und am Montag werden sie in ihre Unterkunft im Gasthaus zum Goldenen Lamm zurückkehren», folgerte ich.
    «Du weißt nicht von der Neuigkeit? Die Ambassade hat sich nicht im Goldenen Lamm einquartiert, wie alle türkischen Delegationen seit hundert Jahren.»
    «Ach, wirklich nicht?», staunte ich.
    «Sie sind zwar auf der Leopoldinsel, im jüdischen Viertel, doch bei der Witwe Leixenring, in einem Palais mit elf Zimmern, einer großen Küche und einem Stadel.»
    «In einem privaten Haus? Warum denn das?»
    «Das ist ein Geheimnis. Ich weiß nur, dass die Miete, wie immer, von der Kaiserlichen Kammer bezahlt wird. Die vom Goldenen Lamm sind beleidigt, umso mehr, als es Platz gab. Und alle Neugierigen, die den Geleitzug vor dem Gasthaus erwarteten, waren umsonst gekommen. Das Seltsamste aber ist, dass das Palais der Witwe Leixenring wie eine kleine Festung bewacht wird: Mir wurde erzählt, dass man nicht einmal von weitem zu den Fenstern hinaufspähen kann.»
    «Dann stimmt es also, dass hinter dieser Ambassade etwas Ernstes steckt. Haben sie denn endlich den Grund ihres Kommens genannt?», fragte ich, besorgt, ich könne in diesem Wien, wohin ich auf der Flucht vor dem römischen Elend gezogen war, womöglich Opfer einer neuen türkischen Belagerung werden.
    Während ich mich in meiner Vorstellung bereits erstochen, meine Frau verschleppt (die Glückliche, sie verstand wenigstens die Sprache der Ungläubigen!) und meinen Sohn in den Kasernen von Konstantinopel zum Janitscharen erzogen sah oder, schlimmer, zum Eunuchen für den Harem des Sultans, hatte Cloridia sich an die Tür zum Nebenzimmer gestellt. Heimlich lauschte sie dem Zwiegespräch, das sich gerade zwischen unserem Kleinen und Ollendorf abspielte:
    «Gott behüte Euer Gnaden» , rezitierte der Schüler manierlich. Cloridia lächelte, von seinem Stimmchen gerührt.
    «Die Leute sagen, diese Gesandtschaft sei anders als die vorhergehenden», bestätigte sie, und ihr Lächeln verflog, während sie zu mir zurückkehrte. «Willst du wissen, wie viele Menschen dabei waren, wenn die Türken früher zu einem offiziellen Besuch nach Wien kamen? Bis zu vierhundert. Zuletzt sind sie vor elf Jahren gekommen, im Jahr 1700, und sie führten vierhundertfünfzig Pferde, hundertachtzig Kamele und hundertzwanzig Maultiere mit sich. Bedenke zudem diese Ankunft in höchster Eile, fast ohne Vorankündigung und mitten im Winter …»
    «Aber weiß man denn, aus welchem Grund sie gekommen sind?», fragte ich, nunmehr sehr erregt.
    «Natürlich weiß man das. Offiziell kamen sie, um den Friedensvertrag von Karlowitz zu bestätigen. Das ist es, worüber der Aga vor allen anderen mit Eugen gesprochen hat.»
    «Den Vertrag, der vor zwölf Jahren, als der letzte Krieg gegen die Osmanen endete, mit dem Kaiser unterzeichnet wurde?»
    «Ebender.»
    «Und war es nötig, eine derart eilige

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