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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Weder hat es je eine Abhilfe gegen diese willkürlichen, nur von Erpressung diktierten Entschlüsse gegeben, noch konnte man dem unerhörten Verrat dieser Sippe Einhalt gebieten.»
    Unterdessen waren wir wieder vor der Blauen Flasche angelangt. Atto fror, er wollte unsere Unterhaltung an einem warmen Ort fortsetzen. Wir traten ein und nahmen Platz.
    In den fast fünfzig Jahren seiner Regentschaft, ging die Erzählung weiter, gelang es Eugens Urgroßvater, dem Herzog Karl Emanuel von Savoyen, dreimal die Fahne zu wechseln: Zunächst heiratete er die Tochter Philipps II. von Spanien; dann schlug er sich auf die Seite Frankreichs, in der Hoffnung, die Franzosen würden ihm helfen, seine Hoheitsgebiete in Italien auszuweiten; schließlich kehrte er zu den Spaniern zurück. Sein Sohn Vittorio Amedeo I. heiratete eine französische Prinzessin, Christine. Als er starb, musste seine Witwe um den Erhalt ihrer Macht nicht mit einer ausländischen Macht, sondern mit den Brüdern ihres Mannes kämpfen, die Krieg gegen sie führten.
    Einer dieser Brüder, Tommaso Francesco, war der Großvater des ruhmreichen Eugen. Auch er hatte eine französische Prinzessin geheiratet und schien ganz auf die Verteidigung Frankreichs bedacht, ja, er residierte sogar eine Zeit lang in Paris.
    «Dann kam die übliche Kehrtwende: Er reiste nach Flandern, trat in den Dienst der spanischen Feinde und verkündete seinen Verwandten, er wolle sich mit Leib und Seele dem Kampf gegen Frankreich widmen», sagte Atto in einer Mischung aus Ironie und Abscheu.
    Auch die anderen direkten Verwandten Eugens glänzten nicht durch moralische Vorzüge, geschweige denn durch körperliche. Sein Onkel Emanuel Philibert, Erstgeborener und somit Erbe des Herzogtums, war taubstumm. Seine Tante Louise Christine, die in Paris den Markgrafen Ludwig Ferdinand von Baden geheiratet, hatte sich überraschend geweigert, ihrem Ehemann auf seine Ländereien in Deutschland zu folgen, weil ihr einziger Sohn in Frankreich eine bessere Erziehung genießen würde (darauf hatte ihr Mann, Eugens Cousin, das Kind kurzerhand entfuhrt und mit in seine Heimat genommen). Eugens Vater schließlich war zwar kein Verräter und konnte hören und sprechen, aber er hatte Olimpia Mancini geheiratet, Eugens Mutter, eine ruchlose, intrigante Frau, die unter dem Verdacht zahlreicher Giftmorde stand.
    «Eine feine Sippe, die Savoyer und ihre Frauen», schloss Atto, «Ehrsüchtige, Verräter, Taubstumme und Giftmischer.»
    «Das verstehe ich nicht: Wie kann jemand wie Prinz Eugen aus einer solchen Familie stammen?», fragte ich bestürzt. «Er hat den Ruf eines rechtschaffenen Mannes, eines unermüdlichen Heerführers und treuen Untertans des Kaisers.»
    «Das ist, was die Leute sagen. Denn sie wissen nicht, was ich weiß. Und was mir ermöglichen wird, den Krieg zu beenden.»
    Er machte eine unwillkürliche Kopfbewegung, als könnte er sich noch vorsichtig umsehen. Dann sagte er zu seinem Neffen:
    «Domenico, sind hier irgendwelche Schnüffler in der Nähe?»
    «Ich glaube nicht, Herr Onkel», antwortete der junge Mann, nachdem er einen Blick auf die Nachbartische und den Rest des Lokals geworfen hatte.
    «Gut. Dann hör zu», wandte er sich wieder an mich. «Von dem, was du jetzt vernimmst, darfst du niemandem ein Wort sagen.
    Nie-man-dem. Verstanden?»
    Obwohl der abrupte Wechsel des Tons mich beunruhigte, nickte ich.
    Atto zog ein vierfach gefaltetes Papier aus seiner Jacke, in dem sich ein Brief verbarg. Er öffnete ihn und hielt ihn mir vor die Augen. Das Schreiben war auf Italienisch verfasst.

    Indem wir dem glühenden Wunsche folgen , Ihm Majestät unsere unterthänigste Ergebung zu bezeugen , sowie unser lebhaftestes Bestreben declarieren , dass wir wollen all unsre Kräfte darein setzen , jenen Krieg zu beenden , so seit langer Zeit und in überaus bitterer Weise das ganze Europa erschüttert , übergeben wir dieses Sendschreiben einer zuverlässigen Person , auf dass Ihro Maj . Kundschaft von unserem Angebot erhalte und die Entschließungen treffen kann , welche Ihr konvenabel und notwendig erscheinen .
    Weil das spanische Flandern sich , wie jedermann weiß , seit vielen Jahren in schwerer Turbolenz durch Aufstände und Kriege befindet , dahero es einer festen und sicheren Führung bedarf , dünkt uns , dass die Übertragung dieser Gebiete auf das Haus Savoyen in unserer Person wahrlich das tauglichste Mittel sey , diese Länder und dieses Volk von so großem Leiden zu befreien .
    Eine solche

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