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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Entschließung brächte den Krieg mit unverzüglicher und unwiderruflicher Wirkung zu ebenjenen Ergebnissen , welche den legitimen Wünschen Ihro Majestät und des Allerchristlichsten Königs von Frankreich näher stehen , infolge der mit Notwendigkeit ob einer solchen Maßnahme causierten Dankbarkeit .
    Wir empfehlen uns Ihro Majestät als unterthänigster und ergebenster Diener und geben dem brennenden Wunsche Ausdruck , zur Wiederherstellung des Friedens beitragen und Ihro Majestät kostbare Dienste leisten zu können .

    Eugenio von Savoy

    «Das ist natürlich eine Kopie. Das Original befindet sich in der Hand des Königs von Spanien, Philipp V., an den das Schreiben gerichtet war», flüsterte Atto.
    Er faltete den Brief zusammen und schob ihn blitzschnell wieder in sein Versteck, wobei er mir ein zufriedenes Lächeln zuwarf. Obwohl er mich nicht sah, ahnte er gewiss meinen verwirrten Gesichtsausdruck.
    «Die Sache ist zu Beginn dieses Jahres losgebrochen», fuhr er dann mit fast unhörbarer Stimme fort.
    Ein unbekannter Offizier hatte sich an den spanischen Hof begeben, wo Philipp von Anjou, der Enkel des Sonnenkönigs, regierte. Es war ihm gelungen, Philipp diesen Brief persönlich auszuhändigen, dann verschwand er. Der junge König von Spanien war fassungslos, als er die Zeilen las.
    «Eugen schlägt in diesem Brief ein Abkommen vor», sagte ich. «Wenn Spanien ihm seine Besitzungen in Flandern …»
    «Du nennst es ein Abkommen», unterbrach mich Atto, «aber in Wahrheit ist es Verrat. Eugen sagt: Wenn Spanien verspricht, mir den Besitz und die Regierung seiner Territorien in Flandern zu übertragen, dann werde ich aus Dankbarkeit als österreichischer Heerführer zurücktreten. Seines obersten Heerführers beraubt, wird der Kaiser gewiss in den Waffenstillstand einwilligen, den Frankreich so sehnlich wünscht, und der Weg für Friedensverhandlungen ist frei.»
    Ich schwieg, bestürzt von der entsetzlichen Enthüllung. Die Wendung, die das Gespräch nahm, gefiel mir nicht.
    Philipp, fuhr Atto fort, schickte unverzüglich eine Kopie des Briefes auf streng geheimem Wege nach Paris, wo ihn nur zwei Personen lasen: der Sonnenkönig und sein Premierminister Torcy.
    «Du musst wissen», sagte Atto, «dass meine Wenigkeit die Ehre hat, Torcy all jene Mitteilungen zu überbringen, welche die ausländischen Diplomaten Ihrer Majestät nicht bei offiziellen Audienzen darlegen wollen. Kurzum, bei Hofe nutzt man meine Dienste noch in hohem Maße. Nun, Ihre Majestät und der Minister Torcy haben beschlossen, mich mit dieser Mission zu betrauen.»
    «Ihr sprecht von Eurer Friedensmission?»
    «Akkurat. Der junge Katholische König von Spanien und sein Großvater, der Allerchristlichste König von Frankreich, können das Angebot eines so dreisten Verrats natürlich nicht annehmen. Aber sie können die Situation ausnutzen und dasselbe Ergebnis erzielen: den Frieden. Darum haben sie beschlossen, mich nach Wien zu schicken, um den, den es angeht, pflichtgemäß über Eugens Verrat zu informieren.»
    «Den es angeht?», stotterte ich, doch ich ahnte bereits, worauf er hinauswollte.
    «Natürlich: den Kaiser. Und du wirst mir helfen.»

    Das Entsetzen musste sich wohl so dramatisch auf meinem Gesicht abzeichnen, dass der Neffe Attos mich fragte, ob ich ein Glas Wasser wünsche. Jetzt war freilich klar, warum Atto mich gezwungen hatte, diese ganze Präambel über Eugen von Savoyen anzuhören. Ich tupfte mir ein paar Schweißtropfen von der Stirn, die so eiskalt waren wie die Fluten der Donau unter der winterlichen Eiskruste. In der Verwirrung, die sich meines Hirnes bemächtigte, wo sich der Türkische Aga mal mit Abbé Melani, mal mit dem Savoyer zu enigmatischen Tänzen verband, lastete eine Erkenntnis schwer wie ein Mühlstein auf mir: Atto hatte mich wieder in eine seiner Intrigen verstrickt.
    Was tun? Mich sofort weigern, ihm zu helfen, und womöglich seinen Zorn erregen, was die Gefahr barg, dass er die Schenkung zurückzog oder eine Unvorsichtigkeit beging und ich als sein Komplize entdeckt wurde? Oder das Wagnis eingehen und versuchen, ihn zufriedenzustellen, natürlich mit so wenig Einsatz wie möglich, in der Hoffnung, dass er Wien schleunigst wieder verließ?
    Eines stand fest: Die Schenkung, mit der er mich wohlhabend gemacht hatte, war nicht der Lohn für Dienste, die ich ihm in der Vergangenheit erwiesen hatte, sondern für jene, die er in den kommenden Tagen von mir erwartete.
    «Gütiger Himmel», seufzte ich

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