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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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über Kopf geflohen … doch kommen wir zu uns zurück», nahm er den Faden wieder auf. «Dieser verfluchte Krieg wäre lange vorbei, wenn Eugen von Savoyen den Frieden nicht verhindern würde.»
    Er wäre nicht einmal ausgebrochen, wollte ich erwidern, hätte es da nicht jemanden gegeben, der das Testament des letzten spanischen Königs gefälscht hatte … Aber das war eine alte Geschichte, und die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern.
    «Ihr beschuldigt den Durchlauchtigsten Prinzen von Savoyen wirklich so niedriger Absichten?», fragte ich stattdessen. «Glaubt Ihr tatsächlich, er legt ganz Europa in Schutt und Asche und setzt fortwährend sein Leben aufs Spiel, nur für seinen persönlichen Ruhm?»
    «Hundenase wurde … pardon, ich wollte sagen: Eugen wurde 1663 geboren, Junge, er ist so alt wie du, achtundvierzig Jahre. Ich habe ihn aufwachsen sehen, und glaube mir: Er hat kein eigenes Leben außerhalb des Krieges. Er ist der Krieg. Und ich kann ihm nicht einmal unrecht geben.»
    «Warum habt Ihr ihn Hundenase genannt?»
    «Oh, das ist nur ein drolliger Spitzname, den ihm seine Spielkameraden gegeben haben, unerzogene Bengel. Du musst wissen, dass Eugen eine, sagen wir, recht unzulängliche Erziehung genossen hat», sagte Atto in einem seltsam verlegenen Ton. «Als Junge umgab er sich mit sittenlosen Gefährten, und das Soldatenleben war das beste Heilmittel dagegen. Als er fünfzehn war, hat man ihm sogar eine Mönchstonsur geschoren, aber er hatte schon beschlossen, Soldat zu werden. Als Ihre Allerchristlichste Majestät sich weigerte, ihm ein Regiment zu unterstellen, floh er, als Weiblein verkleidet, aus Frankreich, um seinen Traum vom Krieg hier im Reich zu verwirklichen.»
    Atto Melani redete ohne Unterbrechung, doch ich begriff immer noch nicht, warum er unbedingt über Prinz Eugen sprechen wollte, und hörte kaum mehr zu. Stattdessen grübelte ich über die letzten Ereignisse nach: Wann war Atto in Wien eingetroffen? Vor zwei Tagen, am achten, um genau zu sein. Und der Türkische Aga? Am siebten. Welch ein Zufall: Nur ein Tag lag dazwischen. Atto Melani war Geheimagent im Dienst des Allerchristlichsten Königs, die Türken waren seit jeher Verbündete Frankreichs. Beide waren in Wien wegen Prinz Eugen. Welch eine Fügung.
    Ich kannte Melani seit dreißig Jahren und wusste genau: Wenn sich wichtige Dinge ereigneten und er in der Nähe war, steckte er mit Sicherheit dahinter. Verdankte sich womöglich auch die geheimnisvolle Ambassade des Agas irgendeinem dunklen Manöver des Abbés? Ich war nun fast ein halbes Jahrhundert alt, wie Atto recht erinnerte, er selbst war fünfundachtzig. Es würde ihm nicht mehr so leichtfallen, mich zu täuschen; ich würde auf der Hut sein.
    Immerhin war nun klar, warum Atto sich so plötzlich seiner alten Schuld bei mir entsonnen und mich nach Wien geschickt hatte …
    Er brauchte ihn wieder einmal, den armen ahnungslosen, aber treuen Tropf, um seine Ränke zu spinnen. Von wegen Wohltäter!
    Aber ich schwankte zwischen Enttäuschung und Dankbarkeit: Wie großzügig hatte Abbé Melani sich gezeigt! Statt für immer aus meinem Leben zu verschwinden, hatte er mich zu einem wohlhabenden Manne gemacht. Welch schamloser Ausbeuter war Abbé Melani! Statt mich nach Wien zu schicken, hätte er mir ohne weiteres ein Stück Land in seiner Heimat, der Toskana, schenken können, wie er es versprochen hatte! Dann wären meine beiden Mädchen längst verheiratet und müssten nicht den Ausgang meines neuen Lebens in der Hauptstadt des Reiches abwarten. Und wenn er mich nicht in Wien gebraucht hätte, würde er mich dann nicht in Rom in meinem Tuffsteinkeller verfaulen lassen?
    Meine Miene hatte sich unter der Last dieser Gedanken zu einem finsteren Blick gewandelt, und mein Schritt war schwer geworden, als Abbé Melani endlich wieder meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte:
    «Was nämlich niemand bedenkt, ist, dass die Savoyer seit jeher große Verräter sind.»
    «Verräter?» Ich zuckte zusammen.
    «Sie herrschen über ein nicht besonders großes Herzogtum am Fuße der Alpen, das aber in strategischer Hinsicht außerordentlich wichtig ist. Für die beiden Kronen, die französische und die spanische, ist es das Eingangstor nach Italien. Und davon haben sie schamlos profitiert, indem sie fortwährend die Verbündeten wechselten. Wie oft habe ich in Paris vergeblich auf meine Briefe aus Italien gewartet, weil es dem Herren Herzog von Savoyen einfiel, alle Kuriere arretieren zu lassen!

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