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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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«Ich erzähle Euch später davon.»
    « Pomum aureum? », fragte Atto, der natürlich an allem, was in Eugens Palais vor sich ging, ungemein interessiert war. «Und was soll das bedeuten?»
    «Die Stadt Wien oder vielleicht auch das ganze Reich», antwortete Cloridia, obwohl ich sie fortwährend durch böse Blicke zum Schweigen gemahnte.
    «Sehr interessant», bemerkte Atto. «Ich glaube, es kommt nicht eben häufig vor, dass man eine so originelle Ausdrucksweise bei einem türkischen Gesandten vernimmt. Das könnte fast eine verschlüsselte Botschaft sein.»
    «Genau!», erwiderte Cloridia. «Der Ausdruck pomutn aureum steht gewiss für Wien, aber wozu dient die Erklärung, die Türken seien allein gekommen? Wer hätte sie begleiten können? Um das zu verstehen, muss man wohl wissen, woher der Ausdruck ‹der Goldene Apfel› für Wien stammt.»
    «Wenn Ihr es wünscht», mischte sich Simonis ein, «könnte ich Euch helfen, das Problem zu lösen.»
    «Und wie?», fragte Atto.
    «Ich kann ein paar von meinen Studentenfreunden beauftragen, der Sache nachzugehen. Alles sehr aufgeweckte junge Männer, wie Ihr wisst», sagte er zu mir gewandt. «Es genügt, ihnen eine angemessene Bezahlung in Aussicht zu stellen. Ihr würdet billig davonkommen: Sie sind nicht sehr anspruchsvoll.»
    «Eine ausgezeichnete Idee», beschloss Cloridia.
    Ich konnte nichts einwenden, denn an Geld mangelte es uns wahrhaftig nicht. Die Situation war mir endgültig aus den Händen geglitten.
    «Jetzt lass uns gehen, schnell», drängte meine Frau, «sonst entwischt uns der Derwisch.»
    Wir gingen eilig nach draußen und ließen Atto Melani mit Domenico im Kaffeehaus zurück, statt dass sie uns, wie ursprünglich geplant, verlassen hätten. Als ich ihnen einen aufgeregten Abschiedsgruß zurief, sah ich ihre überraschten und ein wenig ratlosen Mienen.
    Draußen kam uns ein kalter Windhauch entgegen. Wir hatten die Himmelpfortgasse fast erreicht, als Cloridia mich zurückhielt:
    «Da ist er, er muss soeben aus dem Palais gekommen sein», sagte sie und wies auf eine fremde Gestalt.
    «Simonis, geh zurück zur Himmelpforte und arbeite heute Nachmittag mit dem Kleinen weiter. Wann Cloridia und ich zurückkommen, kann ich dir nicht sagen.»
    Die Verfolgung begann.

    Ciezeber trug einen weiten, weißen Umhang, über dem ein weißer Schafspelz hing. Sein Bart war lang und ungepflegt, und auf seinem Kopf saß eine spitze Mütze aus grauem Filz, die mit einem grünen Turban umwickelt war. Ein Jagdhorn und ein Mantelsack hingen ihm über die Schulter, in der Hand hielt er einen Stock mit einem großen eisernen Haken an der Spitze. Trotz seines fortgeschrittenen Alters machte sein Äußeres einen wilden Eindruck. Wenn ich ihm an einem einsamen Ort begegnet wäre, hätte er mir Angst eingeflößt. Seine zerrissenen Kleider, das blasse, mit tiefen Furchen übersäte Gesicht, die ausgezehrten Glieder und das Rohe, geradezu Animalische in seinen Zügen machten ihn zu einer Mischung aus Priester und Vagabund. Er schien sich nicht im mindesten um die Passanten zu bekümmern, die sich an jeder Ecke belustigt nach ihm umwandten. Schnellen Schrittes verließ er die Himmelpfortgasse in Richtung Augustinerkirche.
    «Verdammt nochmal, Cloridia», sagte ich, während wir ihm folgten, «wie konntest du nur in Attos Gegenwart von den Türken und dem Aga sprechen? Hast du nicht daran gedacht, dass er wegen einer seiner üblichen schmutzigen Machenschaften nach Wien gekommen sein könnte?»
    Ich erklärte ihr, dass Melani fast gleichzeitig mit den Türken in Wien angekommen und dass das vielleicht kein Zufall sei.
    «Du hast recht», gab sie zu, nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte, «ich hätte besser aufpassen sollen.»
    Es war das erste Mal in ihrem ganzen Leben, dass meine intelligente, umsichtige Gemahlin, die alles aufs genaueste vorhersehen und abwägen konnte, die jedes Ereignis zu erklären und mit anderen zu verknüpfen vermochte, ein Versehen zugeben musste. Sollte ihr Scharfsinn mit dem Alter stumpf geworden sein?
    «Weißt du was?», fügte sie fröhlich hinzu. «Seit das Elend vorbei ist und wir uns hier in Wien an der Schenkung deines Abbé Melani erfreuen, lerne ich endlich, auch mal zerstreut zu sein.»
    Ciezeber war unterdessen die ganze Kärntnerstraße hinuntergelaufen und machte nun Anstalten, durch das Kärntnertor zu schreiten, den südlichen Ein- und Ausgang der Stadt, durch den auch Cloridia und ich bei unserer Ankunft in Wien gekommen

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