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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Ereignisse in England: Die Machtkämpfe zwischen den Ministern und der Krone schwächen die Partei des Herzogs von Marlborough und stärken die Befürworter des Friedens, weil sie es leid sind, öffentliche Gelder für den Krieg zu verschwenden.
    «Im Januar, vor kaum drei Monaten», flüsterte Atto Melani vorsichtig, «ist ein gewisser Gautier, ein Priester und Gesandter der Engländer, in höchst geheimer Mission beim Marquis de Torcy vorstellig geworden, um ihm einen Separatfrieden anzubieten. Seitdem werden geheime Verhandlungen mit dem Grafen von Oxford und dem Staatssekretär Saint John geführt.»
    «Aber spracht Ihr denn nicht davon, dass die Engländer zusammen mit dem Reich und Holland Verhandlungen mit Frankreich fuhren, in diesem Städtchen … in Geertruidenberg?»
    «Schscht! Willst du, dass dich alle hören?», zischte Atto mich an und erwiderte dann mit fast unhörbarer Stimme: «Die Friedensgespräche in Geertruidenberg sind gescheitert. Jetzt verhandeln die Engländer, ohne dass Österreich und Holland davon wissen. Im Krieg ist alles erlaubt, auch das. Aber es wird nicht viel nützen.»
    «Warum?»
    Er blieb stehen und drehte sich zu mir um, als könne er mich sehen.
    «Weil es hier in Wien einen Mann gibt, der den Frieden verhindert. Er heißt Eugen von Savoyen. Aus persönlichem Interesse will er den Krieg um jeden Preis fortfuhren, und der Kaiser hört auf ihn. Aber ich werde Ihre Kaiserliche Majestät überzeugen, Ihre Meinung zu ändern.»
    «Der Durchlauchtigste Prinz Eugen verhindert, dass es zum Friedensschluss kommt?», rief ich erstaunt aus.
    «Was bleibt dem Savoyer noch, wenn der Krieg endet? Er würde wieder zu dem, was er vorher war: ein italienisches Halbblut, geboren und aufgewachsen auf französischem Boden, wo man ihn so übel verspottete und beleidigte, dass er fliehen musste, noch dazu als Frau verkleidet. Hier im Reich wurde er nur aufgenommen, weil die Österreicher in Kriegsdingen ausgemachte Esel sind.»
    Ich staunte. Über Eugen hatte ich bis jetzt nur Lobeshymnen gehört. In Österreich war er ein wahrer Nationalheld, der gleich hinter unserem geliebten Kaiser Joseph, dem Sieghaften, rangierte. Wir gingen weiter.
    «Sein Glückstag ist der 11. September: der Tag, als seine Mutter am Königshof in Paris aufgenommen wurde, wo sie ihren Ehemann kennenlernen sollte. Ebenfalls auf diesen Tag fällt die Schlacht bei Zenta, wo Eugen seinen ersten großen Sieg über die Türken erringt. Und es ist der Tag der Schlacht bei Malplaquet, an dem unser Held die französischen Armeen unter Marschall de Villars bezwungen hat.»
    Ich begriff nicht, warum Atto mir so viel über Eugen von Savoyen erzählen wollte. Zugegeben, obwohl er im ganzen Kaiserreich verehrt wurde, wusste ich recht wenig von ihm. Mir war bekannt – allerdings nur, weil ich es von Atto selbst gehört hatte –, dass seine Mutter eine grausame Frau war: Olimpia Mancini, Nichte des Kardinals Mazarin, der ihr eine äußerst vorteilhafte Ehe mit einem Spross der Piemonteser Herzöge von Savoyen verschafft hatte. Ich erinnerte mich gut an Attos Schilderungen der heimtückischen Olimpia: Sie hatte sogar gegen ihre sanfte Schwester Maria intrigiert, die erste Liebe des Allerchristlichsten Königs, welche durch Atto kennenzulernen ich vor elf Jahren die Ehre gehabt hatte.
    Ich wusste außerdem, dass Eugen von Ludwig XIV. verachtet wurde und dass er deshalb als junger Mensch aus Paris geflohen war; doch abgesehen davon war mir wenig über den Mann bekannt, der im Reich als der größte General aller Zeiten galt. Er hatte sich den Krieg zur einzigen Lebensaufgabe gemacht und würde alles dafür opfern.
    «Eugen ist für dieses Volk von Feiglingen so unverzichtbar wie der Hund für die Herde. Nenne mir einen aus diesem Land, außer Kaiser Joseph I., der es verdient hätte, als Soldat bezeichnet zu werden! Wer vertrieb die Türken 1683 aus Wien?», fuhr Atto noch grimmiger fort. «Ich sage es dir: der große polnische König Johann Sobieski, der Bayer Maximilian Emanuel, der Franzose Karl von Lothringen, der Pfälzer Ludwig von Baden und der italienische Papst. Auch Eugen von Savoyen, obwohl erst zwanzigjährig, war dabei. Kurzum: alle, außer dem seligen Kaiser Leopold …»
    Wir überquerten langsam die Kärntnerstraße und kehrten zur Blauen Flasche zurück.
    «Ich weiß, ich weiß, Signor Atto, Ihr habt es mir schon erzählt, als wir uns kennenlernten. Der Kaiser hat Wien verlassen.»
    «Verlassen? Sag lieber, er ist Hals

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