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Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Titel: Verkehrte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen von der Lippe
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nicht so aus; Renate hing leblos im Sicherheitsgurt, der Kopf lag auf der Brust.
    »Erst mal raus hier«, dachte Walter, schnallte sich ab, konnte mit Mühe die Fahrertür öffnen, rannte um den Wagen herum, die Beifahrertür machte noch mehr Schwierigkeiten, aber schließlich hatte er seine Verlobte aus dem Wagen gezerrt und trug sie ein paar Meter weiter, wo er sie im Gras in die stabile Seitenlage brachte. Ein Handy wäre jetzt nicht schlecht, dachte er, aber bisher hatte er sich den Luxus gegönnt, nicht immer erreichbar zu sein, und war dafür viel beneidet worden.
    Er begann sofort mit der Wiederbelebung. Nach zwanzig Minuten war er schweißnass und fast am Ende seiner Kräfte, als sie plötzlich die Augen aufschlug und ihn anlächelte.
    »Siegfried«, sagte sie, »ich weiß nicht, was ich sagen
    soll!«
    »Sag einfach Walter zu mir«, sagte Walter glücklich und ließ sich erschöpft rücklings ins Gras fallen.
    »Mein Geliebter, warum liegt Ihr plötzlich so ermattet da zu dieser holden Stunde, die uns die Gunst der Nähe schenkt?«
    Zu Walters Ganzkörperzittern gesellte sich nun Ohrensausen. Er hörte sich selbst wie durch Watte sprechen: »Renate, ich bin's, dein Walter!«
    »Wollt Ihr mich zum Besten halten, Siegfried, mich, Kriemhild, die Euch mehr liebt als ihr Leben?«
    »Komm wieder zu dir, Renate. Wir sind nicht vom Pferd gefallen, sondern gegen einen Baum gefahren. Und das ist hier nicht der Schlosspark, sondern der Boden der Tatsachen.«
    Walter schaute in den Himmel, den gerade ein Düsenflugzeug überquerte.
    Renate richtete ebenfalls den Blick nach oben und sagte: »Die Drachen fliegen zum Glück heute sehr hoch, sodass sie uns nicht sehen können, sonst müsstet Ihr wieder Euer Schwert Balmung sprechen lassen.«
    »Renate, um Himmels willen, krieg dich ein!«
    »Siegfried, wie redet Ihr denn? Habt Ihr so früh schon dem Weine zugesprochen? Ihr wisst, dass wir heute bei meinem Bruder Gunther und Brunhild zum Kaffee eingeladen sind?«
    »Na schön«, dachte Walter, »bin ich eben Siegfried, wenn's ihr Spaß macht.«
    »Ja klar weiß ich das, ich freu mich auch schon ganz doll, hoffentlich muss ich nicht wieder unter der Tarnkappe Gunther gegen Brunhild in irgendeiner Sportart helfen!«
    »Siegfried, was redet Ihr da, mein Bruder ist Manns genug, sein Weib zu unterwerfen, wann immer er will.«
    »Ach du Scheiße«, dachte Walter, »die Ärmste kennt ja die Story gar nicht, das war ja Gunthers und mein Geheimnis!« Und schnell fuhr er fort: »Das war doch nur ein kleiner Scherz, liebste Kriemhild, aber sagt einmal, warum habt Ihr mir eigentlich auf jedes Wams so ein kleines Kreuz aufs linke Schulterblatt genäht?« Renates Wangen glühten auf einmal himbeerfarben. »Ich sollte es Euch eigentlich nicht sagen, geliebter Mann, aber Hagen bat mich darum, damit er Euch besser beschützen kann!«
    »Hagen, das alte Arschloch? Dem traue ich keinen Meter weit, ich sag dir was, Kriemhild, der will mich hinterrücks ermorden, und du solltest das Kreuzchen aufnähen, damit er weiß, wo meine einzige verwundbare Stelle ist.«
    »Wo das Lindenblatt hinfiel, als Ihr in Drachenblut badetet, ja, geliebter Siegfried, ich weiß; ich kann zwar nicht glauben, dass Hagen euch Arges will, aber ich könnte doch einfach das Kreuzchen auf die falsche Seite nähen, was meint Ihr?« »Hey, das ist meine pfiffige kleine Rena … ich meine natürlich Kriemhild, und wenn er mir dann den Speer von hinten reinrammen will, dann häng ich ihn an seinen eigenen Klöten auf!«
    Im nächsten Moment hörte Walter ein fürchterliches Knarren und dann nichts mehr. Die gerammte Ulme hatte ihn unter sich begraben. Renate richtete sich auf. Der fallende Baum hatte sie nur gestreift.
    »Mein Gott, Walter«, stammelte sie und starrte auf die leblose Hand, die unter dem Baum hervorschaute, »was ist passiert?«
    Aus dem Auto, das mit quietschenden Reifen auf der Straße gebremst hatte, sprang ein junger Mann und eilte auf sie zu. »Bleiben Sie ganz ruhig, ich bin Arzt, mein Name ist Hagen von Tronje.«
    Dieses eBook wurde von der Plattform libreka! für Leipzig 2011 mit der Transaktion-ID 1075178 erstellt.

DER VORLESER
    Gestatten, mein Name ist Carl F. Loewenich, ich bin Vorleser für schwierige Fälle. Wenn Sie z. B. ein Kind haben, das auf Literatur überhaupt nicht anspringt, nur vor der Glotze sitzt oder der Playstation oder nur auf Computerspiele abfährt, rufen Sie mich an. Ich gucke mir das kleine Monster an, mache eine Anamnese,

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