Verkehrte Welt
mit einem dreibeinigen Kamel?«, fragten die beiden Recken wie aus einem Mund.
»Ihr seid so was von ekelhaft undankbar«, schrie die Fee mit sich überschlagender Stimme, »nicht nur, dass dieses Kamel hundert, beziehungsweise zweihundert Prozent mehr Beine hat als ihr Invaliden, es ist auch ein heiliges Kamel!«
»Ja und?«
»Habt ihr mir nicht gerade gesagt, ihr seid auf der Suche nach dem heiligen Stuhl?« »Ja.«
»Na, da isser doch«, rief die Fee und deutete mit dem Zauberstab auf den dampfenden Dunghaufen, von dem plötzlich weißer Rauch aufstieg, während eine überirdisch klingende Stimme verkündete: »Wer sich als Erster setztet hinein, dem wachset wieder Arm und Bein.« Gehdochweg und Dumichauch starrten sich entgeistert an.
»Haut rein, Jungs!«, riet die Fee, schwang sich auf das Kamel und ritt durch die Lüfte davon. Mit einer Blitzreaktion gelang es dem Ritter Gehdochweg, Dumichauch, der sich gerade in den Kothaufen werfen wollte, das Bein wegzutreten.
»Nicht so voreilig«, sagte er, »überleg doch erst mal. Wenn wir beispielsweise den Haufen in zwei gleich große Teile teilen, dann haben wir vielleicht beide eine Chance.«
»Aber es hieß doch, wer als Erster …?«
»Ja, ja, aber wenn wir uns gleichzeitig, im selben Moment jeder in seinen eigenen Haufen setzten, dann könnte es funktionieren.«
Sie machten sich sorgfältigst an die Teilung und brachten sich danach in Positur.
»Also bei drei«, sagte Gehdochweg und begann zu zählen: »Eins … zwei … drei!«
Die gleichzeitige Landung gelang perfekt, es gab eine Art Explosion, und als der Rauch sich verzogen hatte, blickten sich die beiden an.
»Ich würde sagen, wir sitzen in der Scheiße«, fand Dumichauch als Erster Worte, »was sollen wir denn jetzt machen?«
»Jetzt stehen wir erst mal auf und machen uns ein bisschen sauber, und dann gehen wir los, Richtung Westen, in den Sonnenuntergang hinein«, erwiderte der Ritter.
Ein unbeteiligter Betrachter hätte sich nicht schlecht gewundert: Zwei dreibeinige sprechende Kamele hinkten gemeinsam ins Abendrot.
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DIE HARTE TOUR
Sein Opa hatte immer gesagt: »Einen richtigen Mann erkennt man daran, dass er auf die harte Tour lebt, dass er sich in dem Metier durchbeißt, für das er am wenigsten geeignet ist, merk dir das, mein Junge!«
Olaf Pellworm liebte seinen Großvater abgöttisch und vertraute ihm blind, und so hatte er beschlossen, Komiker zu werden. Und deswegen stand er heute Abend auf der Bühne des schäbigen kleinen Clubs und sollte einen Probegig absolvieren. »Wenn du gut ankommst, kannst du einmal die Woche auftreten, für 50 Dollar«, hatte der fette Mexikaner mit dem unfassbaren Silberblick und dem erschütternden Aftershave gesagt, dem die Kaschemme gehörte. Der Zuschauerraum war zu einem Drittel gefüllt mit Gestalten, denen man schon im Hellen nicht hätte begegnen wollen, geschweige denn hier .
»Hey«, dachte Olaf Pellworm, dessen Großeltern vor 60 Jahren von der deutschen Nordseeinsel in den Süden der USA geweht worden waren, »das ist doch gar kein schlechtes Opening!«
Und so begann er mit den Worten: »Hey folks, wenn ich euch so sehe, denke ich, da sitzen Leute, denen ich normalerweise nicht mal im Hellen begegnen wollen würde, geschweige denn im Arsch der Welt. Habt ihr alle was zu trinken, oder soll ich jemandem was einschütten?«
Dabei machte Olaf die typische Handbewegung in Lendenhöhe. Eisige Stille. »Hey, ich teste nicht meine Gags, ich teste euch«, schob er nach. Weiterhin eisige Stille.
»O.k., probieren wir was anderes; jedem, der lacht, gebe ich einen aus!« Tosendes Gelächter.
»Das war ein Scherz, Leute!« Olaf sah die zwei Wurfgeschosse und entschied sich dafür, dem Aschenbecher auszuweichen, sodass das Bierglas ihn mitten auf die Brust traf.
Triefend sagte er: »Ich sagte doch, ich gebe einen aus, aber die Kohle muss ich mir natürlich zuerst verdienen. Die Kunst bei der Comedy ist, zu erkennen, was das Publikum hören will. Ich bin mal aufgetreten und habe gesagt: Ihr kennt das alle, man bricht aus dem Knast aus, in ein Haus ein, stöbert so rum und findet im Schlafzimmer ein nacktes wunderschönes Girl schlafend. Gut, nach drei Jahren Knast hat sich ganz schön was angestaut ... in dem Moment fangen die alle an zu buhen, und da wurde mir erst klar: Hey, du trittst im Knast auf vor lauter Mördern und Vergewaltigern, das war
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