Verküsst & zugenäht!
und er den verdammten Helden mimte? Wie war er nur auf so eine schwachsinnige Idee gekommen? War er nicht der Typ, der seinen Sohn im Stich gelassen hatte? Der Mann, der sich kaltblütig genau die Frauen aussuchte, mit denen er Spaß haben konnte, ohne sich zu irgendwas zu verpflichten?
Wieso also hatte er ausgerechnet gestern beschlossen, einen auf Ehrenmann zu machen? Er riss die Glaskanne aus der Kaffeemaschine, achtete nicht auf das Zischen, als die letzten Tropfen auf die heiße Platte fielen, und schenkte sich einen suppenschalengroßen Becher voll.
Er nahm einen Schluck und verbrannte sich die Zunge. Als er vor Schmerz zusammenzuckte, vergoss er dampfenden Kaffee über seine Finger.
„Autsch! Mist!“ Hastig stellte er die Tasse auf die Küchentheke, schüttelte die Hand heftig aus und hielt sie unter kaltes Wasser.
„Himmel noch mal.“ Es hätte ihn wohl nicht getröstet, wenn er gewusst hätte, dass er mit dem nächsten Satz Jenny quasi imitierte: „Erschieß dich doch gleich.“
„Tut mir leid, dass du dich nicht gleich mit Nolan treffen kannst“, sagte Jenny am Nachmittag, als sie ins Auto stiegen.
Austin zuckte mit den Schultern, schwer darauf konzentriert, den Gurt anzulegen. Hauptsache, er musste sie nicht ansehen. Jenny schien sowieso die gespenstische Eigenart zu haben, direkt in seinen Kopf zu schauen und seine Gedanken lesen zu können.
Sie waren gerade in der Praxis von Dr. Janus gewesen. Wie sich herausgestellt hatte, musste er sich in einem Monat ein zweites Mal impfen lassen. Zudem hatte der Doktorgesagt, dass sein Körper Zeit brauche, um Antikörper zu bilden, und er sich deswegen noch immer von Nolan fernhalten müsse.
Wie mies von ihm, dass er sich darüber fast schon freute. Was für ein Freund war er eigentlich?
„Dauert ja nicht lange“, fuhr Jenny fort, und er wünschte, sie würde aufhören zu reden, doch sie tätschelte sein Knie und sagte: „Rebecca erzählte heute, dass Nolans Pusteln langsam Krusten bekommen. Das ist ein gutes Zeichen dafür, dass er bald nicht mehr ansteckend ist.“
„Klar“, sagte er düster.
„Hey, ich hab eine Idee!“ Sie nahm den Blick lange genug von der Straße, um ihn anzusehen. „Warum fahren wir nicht einfach kurz bei ihm vorbei und holen Bailey ab?“
„Ich muss zum Training, aber Bailey kommt wahrscheinlich auch.“
„Oh, das habe ich total vergessen. Freut mich, dass sie mitgeht. Ihr zwei passt gut zusammen. Und ich schätze, sie kann im Moment einen guten Freund brauchen. Rebecca sagt, dass sie Schwierigkeiten in der Schule hat.“
„Die anderen sind verdammt hochnäsig zu ihr!“ Das war vielleicht etwas zu wütend herausgekommen, denn Jenny warf ihm einen überraschten Blick zu, aber es ging ihm mächtig auf den Zeiger, dass die Mädchen Bailey einfach nicht in Ruhe ließen.
„Ist nicht leicht, am Ende eines Schuljahrs zu wechseln“, sagte sie. „Vor allem auf eine Schule, wo jeder jeden kennt. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche. Magst du sie anrufen und fragen, ob wir sie mitnehmen sollen?“
„Ja, schätze schon.“ Er zog sein Handy aus der Tasche. „Hey“, sagte er, als Bailey abgenommen hatte. „Jenny und ich sind auf dem Weg zum Training. Sollen wir dich mitnehmen? Du kannst Mrs D sagen, dass ich dich hinterher nach Hause begleite, also braucht sie dich nicht abzuholen.“
„Das wäre toll“, sagte Bailey begeistert, und ihm wurde ganz heiß.
„Super. Bis gleich.“
„Also holen wir sie wohl ab, ja?“ Jenny nahm die nächste Ausfahrt.
„Ja.“ Er hielt den Blick fest auf die Straße gerichtet und konnte es kaum fassen, dass er nach dem Training eine Weile allein mit Bailey sein würde. Wirklich nicht schlecht, dass Nolan noch ansteckend war.
Ein Gedanke, der ihn, wie er bereits festgestellt hatte, zum miesesten Freund der Welt machte.
Jake war unruhig. Nachdem er vor ein paar Tagen die letzten Fotos für den „National Explorer“ weggeschickt hatte, war seine Arbeit erledigt und er hätte es sich eine Weile gut gehen lassen können. Stattdessen wusste er nichts mit sich anzufangen. Zunächst schlug er etwas Zeit tot, indem er in dem kleinen Cottage auf und ab ging, aber das half nicht. Ihm war furchtbar langweilig.
Bei dem Gedanken angekommen blieb er wie angewurzelt stehen. „Wie alt bist du, acht?“ Sein eigener Sohn benahm sich erwachsener als er. Genervt schnappte er sich seine Kamera, warf ein paar Objektive in die Tasche und stürmte aus dem Haus. Es war ein schöner Tag
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