Verlangen, das für immer brennt
solche Angst gehabt. „Sie ist fort. Sie hat das Sorgerecht, und jetzt ist sie weg.“
Sein Bruder riss ihm das Blatt Papier aus der Hand und las den Brief unter leisem Fluchen. „Wir werden sie finden. Weit kann sie nicht gekommen sein.“
Doch sie fanden sie nicht. Ein, zwei, drei Tage vergingen, aber von Hattie keine Spur. Ihr Handy war ausgeschaltet, sie nutzte ihre Kreditkarten nicht. Es war, als wäre sie vom Erdboden verschluckt worden.
Luc lebte von Kaffee und drei Stunden Schlaf die Nacht. Nicht einmal die Polizei konnte er einschalten, denn Hattie hatte ihn aus freien Stücken verlassen. Ein Verbrechen hatte sie allerdings begangen. Doch es war eins, das die Polizei nicht interessierte: Sie hatte sein Herz gestohlen, es einfach mitgenommen.
Leo war ein Fels in der Brandung. Ohne große Umschweife zog er bei seinem Bruder ein und heuerte eine ganze Armee von Privatdetektiven an. Doch auch diese konnten Hattie nicht aufspüren.
Nacht um Nacht lag Luc wach im Bett und grübelte, wie es so weit hatte kommen können. Doch eigentlich wusste er es ja schon längst: Es war sein verletzter Stolz gewesen, der die Katastrophe ausgelöst hatte. Er hätte Hattie doch einfach nur die Wahrheit sagen müssen: dass er sie über alles liebte. Dass er den Rest seines Lebens mit ihr und Deedee verbringen wollte.
Erst am vierten Tag fand er einen Weg, Hattie aufzuspüren. In ihrer Eile hatte sie Deedees Antibiotika vergessen. Sofort begannen die Detektive, sich in Kinderarztpraxen und Krankenhäusern umzuhören, ob ein entsprechendes Rezept ausgestellt worden war. Am fünften Tag, Luc war mittlerweile nur noch ein Schatten seiner selbst, stand gegen halb drei Uhr mittags einer der Detektive vor seiner Tür.
Luc musste an sich halten, den Mann nicht am Kragen zu packen. „Sagen Sie, dass es Neuigkeiten gibt“, flehte er ihn förmlich an.
Der grauhaarige Detektiv nickte und sah ihn mitfühlend an. „Offenbar wohnt sie im Motel 6 in Marietta. Hier haben Sie die Adresse.“
Hattie wiegte die quengelnde Deedee in ihrem Arm und lief wie ein gefangenes Tier in ihrem kleinen Motelzimmer auf und ab. Wahrscheinlich würde es noch weitere zwei Tage dauern, bis es dem Kind besser ging.
Sie kämpfte schwer damit, plötzlich allein mit ihrer Sorge um das kranke Baby zu sein. Luc hatte ihr den Rücken gestärkt und ihr geholfen. Jetzt fühlte sie sich vollkommen isoliert. Irgendwann waren ihr die Einsamkeit und der Kummer einfach zu viel geworden. Es war, als wäre ein Schalter in ihr umgelegt worden: Mittlerweile empfand Hattie gar nichts mehr. Sie war unnatürlich ruhig, doch anders ließ sich die Situation nicht ertragen.
Am Spätnachmittag schlief Deedee endlich ein, und auch Hattie versuchte, ein Nickerchen zu machen. Doch sie fand einfach keine Ruhe. Nach ein paar Minuten wurde sie von lautem Klopfen aufgeschreckt. Das Baby schlief zum Glück so fest, dass es trotz des Lärms nicht aufwachte.
Hattie warf einen Blick durch den Türspion und wich unwillkürlich ein paar Schritte zurück. Luc. Sie rang die Hände, konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Dann drang seine Stimme durch die dünne Sperrholztür. „Ich habe unten dein Auto stehen sehen. Ich weiß genau, dass du hier bist. Mach auf, verdammt.“
Wie ein Roboter öffnete sie die Tür und wich zurück. Luc stürmte in das kleine Hotelzimmer. Draußen braute sich ein Gewitter zusammen. Der wolkenschwere Himmel lastete dunkel über der Stadt.
Luc wirkte ausgezehrt und blass. Sein Hemd war zerknittert, sein Haar in Unordnung. Nichts an ihm erinnerte an den kontrollierten, erfolgreichen Unternehmer. Eine Sekunde lang empfand Hattie Mitleid. Doch dann kam die Erinnerung an seine bewusste Grausamkeit zurück, und ihr Herz überzog sich wieder mit einer dicken Eisschicht.
„Was willst du, Luc?“ Auf einmal fühlte sie sich unendlich erschöpft. Sie ließ sich aufs Bett sinken, lehnte sich gegen das Kopfteil und zog die Beine an. Dann schlang sie schützend die Arme um ihre Knie.
In Lucs Blick lag unendlicher Kummer. „Ich will dich .“
„Lügner.“ Das Wort rutschte ihr einfach so heraus. Sie sah, wie Luc verletzt zusammenzuckte.
Er ließ seine Jacke von den Schultern gleiten und fuhr sich durchs regenfeuchte Haar. In der Ferne grollte der Donner, und die Lampen flackerten auf. „Ich habe einen Fehler gemacht. Ich hatte Angst, dir meine wahren Gefühle zu zeigen. Dabei wollte ich niemals, dass du gehst.“
Unwillkürlich vergrub sie die Finger in ihren
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