Verlangen unter falschem Namen
Silvio morgens länger, darum ging Cara direkt zu Vicenzos Büro. Vor der Tür blieb sie stehen. Genau in diesem Augenblick wurde sie geöffnet, und Cara schreckte zurück.
„Guten Morgen, ich wollte nur sehen, wo du bist“, sagte sie dann errötend.
Vicenzo sah ernst aus. Auf jeden Fall ganz wie ein erfolgreicher Geschäftsmann – in einem blütenweißen Hemd, mit Krawatte und dunkler Hose. „Ich wollte dich gerade holen“, erwiderte er. „Wir müssen uns unterhalten.“
Cara schwante nichts Gutes, während sie ihm ins Büro folgte. Er sah so ernst aus, dass sie Angst bekam. Er deutete auf den Besucherstuhl an seinem großen Mahagonischreibtisch und nahm dann selbst Platz. Cara kam sich vor wie bei einem Vorstellungsgespräch. Als sie sich umsah, stellte sie fest, dass sämtliche Unterlagen verschwunden waren.
„Was hast du mit dem Material über meinen Bruder gemacht? Ich hätte es doch aufgeräumt.“
„Geschreddert“, lautete die knappe Antwort.
„Aber ich habe dir doch noch gar keinen Abschlussbericht geschrieben!“
„Ich weiß inzwischen, wie Cormac vorgegangen ist, Cara, und da er keine Bedrohung mehr darstellt, habe ich nichts Falsches darin gesehen, die Beweise zu vernichten.“
„Aber …“ Cara runzelte die Stirn. „Das hättest du doch schon vor Wochen tun können!“, rief sie empört und sah, wie Vicenzo schuldbewusst nickte.
„Ja, aber anfangs habe ich dich immer noch als Bedrohung gesehen und musste einfach ganz genau wissen, was er getan hat.“
„Woher willst du wissen, dass ich dir nicht immer noch gefährlich werden könnte?“
Vicenzos Gesichtszüge erstarrten. „Das kannst du, Cara“, gab er schließlich zu. „Und genau das ist auch das Problem.“
Seine Worte verletzten und ärgerten sie. Aber bevor sie etwas dazu sagen konnte, hob Vicenzo beschwichtigend die Hand.
„Nicht so, wie du meinst, Cara. Die Gefahr, die jetzt von dir ausgeht, ist ganz anders geartet.“ Dabei sah er sie so unverwandt an, dass ihr Herz wild zu schlagen begann. Dann stand er auf, ging zum Fenster und sah hinaus. Nach einer Weile wandte er sich ihr wieder zu. „Du sagst Enzo zu mir, wenn wir miteinander schlafen.“
Sofort vergaß Cara, worüber sie gesprochen hatten. Jetzt war es nur wichtig, sich keine Blöße zu geben. „Es tut mir leid … aber das heißt nicht, dass –“
Er schüttelte den Kopf und lächelte wehmütig. „Nein, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es gefällt mir. Ich bin schon lange nicht mehr so genannt worden.“
„Aber in jener Nacht in London …“, warf sie ein.
Sein Lächeln erlosch. „Ja, ich habe mich als Enzo vorgestellt. Bevor ich dich traf, Cara, hatte ich keineswegs die Absicht, mit dir ins Bett zu gehen. Mein einziges Interesse an diesem Abend war es, dich ausfindig zu machen und dir deine Schuld vor Augen zu führen.“ Er wirkte grimmig. „Dabei hatte ich übereilt Schlüsse gezogen und dich und deinen Bruder zum Teufel gewünscht. Außerdem warf ich mir vor, Allegra nicht beschützt zu haben, und um mein Versäumnis wettzumachen, habe ich sozusagen um mich geschlagen. Dabei hatte ich meine Schwester viel zu lange überbehütet. Darüber hatten wir wenige Wochen vor ihrem Tod noch einen Streit. Sie hat mir gesagt, dass ich mich aus ihrem Leben heraushalten und sie in Ruhe lassen solle.“
„Es ist nicht deine Schuld, dass sie Cormac getroffen hat“, bemerkte Cara leise.
„Ich weiß … trotzdem …“ Vicenzo fuhr sich durchs Haar. „Als ich in den Club kam, hast du da in deinem kurzen Kleid gesessen und dich zu mir umgedreht. Seit dem Moment bin ich dir verfallen, Cara, und dass nur, weil du mich angesehen hast. Bevor ich dich traf, hätte ich den Gedanken, mich zu Cormac Brosnans Schwester hingezogen zu fühlen, völlig abstoßend gefunden. Aber, wie wir beide wissen, war genau das Gegenteil der Fall. Ich habe rein instinktiv gehandelt und dir gesagt, ich hieße Enzo … Es war, als bräuchte ich eine andere Identität, um diese Anziehungskraft zuzulassen. Irgendwo in meinem Hirn, das vor Ver langen nur noch dahindämmerte, habe ich mir vorgemacht, dass ich dir meine wahre Identität verschweigen würde, um zu sehen, wie geldgierig und falsch du bist.“ Bei der Erinnerung daran verzog er peinlich berührt das Gesicht.
„Als ich dich gebeten habe, mit in mein Hotel zu kommen, hast du Nein gesagt. Danach konnte ich nur noch daran denken, wie sehr ich dich begehrte. Darüber habe ich völlig vergessen, warum ich dich
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