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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Draht.
    Fluchend ließ ich mich gegen die Wand fallen und rutschte dann hinunter, bis ich auf dem kühlen Metallboden saß. Irgendwann rappelte ich mich wieder auf und kletterte langsam wieder nach oben. Dort angekommen ging ich auf die Nordseite und schlug das alte Rohr mit der Axt ab. Ich sah ihm nach, wie es in die Tiefe stürzte. Dann legte ich mich wieder auf die Matratze und deckte mich mit der Plane zu. Ich glaubte nicht, dass ich würde schlafen können.
    Offenbar war ich doch eingeschlafen. Aber ich wachte noch mehrfach auf in dieser Nacht, und zwar nicht wegen der Stolperdrähte. Ich hatte keine Ahnung, weshalb, außer beim letzten Mal, als mich ein Traum aus dem Schlaf riss. Ich konnte Moreau sehen. Am ausgestreckten Arm hielt er mir den Kopf meiner Schwester hin.

10
    Einsatz
    Mist. Es regnete!
    Blinzelnd sprang ich auf, raffte meine Habseligkeiten zusammen und brachte sie rasch in den schäbigen Raum eine Etage tiefer zurück. Durch den Regen roch es dort noch schlimmer als zuvor. Feuchtigkeit und Verwesung gingen eine vielversprechende Symbiose ein.
    Ich setzte die Sonnenbrille auf, streckte den Kopf heraus – bedeckt, klar  – und versuchte abzuschätzen, wie spät es wohl sein mochte. Ich hatte nicht das Gefühl, lange geschlafen zu haben. Aus dem grauen Licht am Horizont schloss ich, dass die Sonne gerade erst aufgegangen sein musste.
    Inzwischen war ich hellwach und wusste, dass ich nicht mehr einschlafen würde. Hier drinnen jedenfalls nicht. Wenn ich weiterhin mit Albträumen dieser Art rechnen musste, hatte ich auch kein gesteigertes Interesse daran.
    So gut es ging, wrang ich meinen Schlafanzug aus. Mir war kalt. Langsam sollte ich mir etwas überlegen. Ich brauchte unbedingt etwas zum Anziehen.
    Es sah nicht so aus, als würde der Regen bald aufhören. Sehr gut . Bei diesem schlechten Wetter war ich schwieriger zu sehen. Außerdem waren weniger Leute unterwegs, erst recht um diese Tageszeit. Es war der ideale Augenblick für eine weitere »Einkaufstour«.
    Eine Viertelstunde später stand ich hinter dem Madison-Square-Shoppingcenter, dem erstbesten, an dem ich vorbeigekommen war. Auf dem Parkplatz befand sich nur ein einziges Auto – eine Schrottkarre, die so weit entfernt stand, dass man hätte glauben können, es wäre bereits der nächste Regierungsbezirk.
    Ich war auf der Suche nach einem bestimmten Typ Geschäft. Deshalb ging ich außen an dem Gebäude entlang und las die Namen, die auf die grauen Hintertüren gesprüht waren. Esprit? Nein . Kaufhof? Nein . Pimkie? Sicher nicht . Zero? Nein .
    United Outfitters klang vielversprechend, doch nachdem ich die Tür aufgebrochen hatte und mich durch Kartons und leere Kleiderständer mit klappernden Bügeln gekämpft hatte, entpuppte sich das Sortiment als deutlich plüschiger, als der Name hatte vermuten lassen. Einen Alarm hörte ich nicht, was allerdings nicht bedeutete, dass er nicht womöglich direkt bei der Polizei ausgelöst wurde.
    Ich fand weiche Handtücher und – Gott sei Dank  – ein prall gestopftes Sofakissen. Ich rubbelte mein triefend nasses Haar trocken und verstaute alles in einer Tüte. Auf dem Weg nach draußen griff ich noch nach einem schicken Kosmetikbeutel, der Seife und Shampoo enthielt.
    Dann verließ ich das Geschäft schnell wieder und hastete weiter. Ein Naturkostladen, ein Sonnenstudio, eine Geschenkboutique, ein Surf-Shop. Erst bei einem Laden namens Outdoorwelt fand ich, was ich suchte.
    Dieses Mal ging der Alarm los. Mir platzte fast das Trommelfell, während ich im hinteren Teil des Ladens die Regale durchwühlte und nach meiner Größe suchte, was bei dem Lärm gar nicht so einfach war. Für eine Anprobe blieb keine Zeit. Es musste so gehen.
    So viele Kleidungsstücke einzupacken, war ein komisches Gefühl. Meine Mutter hat nie genug Geld gehabt, um uns ständig etwas Neues zu kaufen. Mehr als ein Oberteil oder ein Paar Shorts auf einmal war nie drin. Jetzt hingegen würde ich dank meines florierenden kriminellen Unternehmens besser gekleidet sein als je zuvor.
    Für meinen Geschmack waren die Kleidungsstücke ein wenig zu angepasst – Gretchen, das geht gegen dich  –, doch ich durfte mich nicht beschweren. Eine Nike-Shorts. Eine silberfarbene Goretex-Jacke von The North Face, zwei Puma-Pullover, mehrere atmungsaktive T-Shirts und Röhrenjeans von Levi’s. Dazu für die Füße Adidas-Socken und Merrill-Trekkingschuhe mit Klettverschluss.
    Sofort schleuderte ich die Gummistiefel fort und

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