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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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über einem Feld wüteten. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
    »Ja, das ist cool«, gab ich zu und lugte vorsichtig durch meine Finger. Die wirbelnden Flammen begeisterten mich tatsächlich.
    Das grünliche Licht spiegelte sich blitzend in Sagans Augen. »Dieses Bild zeigen sie den Leuten gern, wenn sie zum ersten Mal hierherkommen, weil es Eindruck macht. Du solltest sehen, wie ihre Köpfe nach hinten fliegen, wenn sie nicht darauf vorbereitet sind.«
    »Aber warum ist es grün?«
    »Ach, das ist es nur, weil ich ein wenig Farbe rausgenommen habe, damit es für dich verträglicher ist. Ich weiß ja, wie empfindlich deine Augen sind. Das volle Spektrum hätte dich umgehauen, so intensiv ist es.«
    »Danke. Eh, was ist an dem hellen Punkt, wo so besonders viel Feuer ist?«
    »Das ist eine KMA«, erklärte Sagan, »ein ›Koronaler Massenauswurf‹. Sozusagen eine Sonnenexplosion. Du müsstest das mal in Gelb und Orange erleben! Danach hast du noch eine ganze Woche lang weiße Flecken vor den Augen.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, antwortete ich, doch er schien den Sarkasmus in meiner Stimme nicht zu bemerken. »Aber jetzt erklär mir doch mal, wofür es gut ist.«
    »Mit STEREO wird der Energie- und Partikelfluss zwischen Sonne und Erde gemessen. Die beiden Sonden zeigen in 3D die Struktur des Koronalen Massenauswurfs, die wir dann untersuchen können. KMAs können Satellitenempfang und Stromnetze ganz schön durcheinanderbringen. Mithilfe von STEREO bekommen wir mehr Daten, mit denen wir einen gigantischen KMA eventuell überleben könnten. Zumindest würden wir vorgewarnt.«
    »Wieso überleben? Wovor vorwarnen?«
    Er nickte in Richtung des Feuerballs auf dem Bildschirm. Ein Feuerband in der Form eines Lassos zuckte wie ein Blitz.
    »Ein richtig großer KMA oder eine chromosphärische Eruption könnte uns ins Mittelalter zurückwerfen.«
    Ich sah ihn an. Er meinte es ernst.
    »Hältst du so etwas wirklich für möglich?«, fragte ich.
    »Klar. Satelliten wären zerstört. Das gesamte Stromnetz könnte zusammenbrechen. Kein Strom, kein Telefon, keine Computer, kein elektrisches Licht. Nur wenig Wasser, wenn man nichts aus der Erde heraufpumpen kann. Die Lebensmittelversorgung würde sehr schnell nicht mehr funktionieren. Die Leute würden anfangen zu randalieren. Hast du den Bericht über den liegen gebliebenen Brottransporter gesehen, der vorübergehend zu einer Brotknappheit in Denver geführt hat?«
    »Nein.« Irgendwie sagte mir die Geschichte etwas, aber ich konnte mich nicht an die Details erinnern.
    »Die Leute haben ihn überfallen und die gesamte Ladung wurde gestohlen. Und das waren nicht nur arme Leute, sondern auch Mercedesfahrer.«
    »Aha.«
    »Je länger wir ohne die wesentlichen technischen Errungenschaften wären, desto schlimmer würde es. Überleg mal, wie es ist, wenn eine große Stadt von einer Katastrophe heimgesucht wird. Von überallher kommen Leute, um Hilfe zu leisten. Jetzt stell dir mal vor, hundert Städte stünden gleichzeitig vor diesen Schwierigkeiten. Das bekäme man nicht in den Griff. Die Leute würden hilflos davorstehen. Und wenn sie erst anfangen zu sterben … Tausende …«
    Ich hörte ihm nicht mehr zu. Ein Bild von Manda hatte sich in meinen Kopf geschlichen, wie sie allein durch die dunkle Wohnung tapst und weint. Hungrig nach mir suchend und ich bin nicht da.
    Ich drehte mich um. Hier gab es keine Fenster, dennoch konnte ich sie spüren – die Dunkelheit. Innerlich fluchte ich. Ich hatte mich ablenken lassen und schwor mir, das in Zukunft nicht mehr geschehen zu lassen.
    »Lass uns gehen«, sagte ich. Mir war die Lust vergangen.
    »Aber ich habe dir doch noch gar nicht gezeigt, wie ich Kometen jage«, protestierte Sagan.
    »Ich muss dringend etwas erledigen.«
    »Habe ich etwas Falsches gesagt?«, erkundigte sich Sagan, als wir wieder draußen waren. Aufmerksam ließ ich den Blick über den Wald und die Straße wandern. Sagan berührte mich an der Schulter und ich zog sie instinktiv zurück.
    »Hä? Ach so.« Ich versuchte zu lächeln. »Nein, das hat nur mit mir zu tun. Ich muss … mich auf eine bestimmte Sache konzentrieren und darf mich im Moment nicht zu sehr von anderen Dingen ablenken lassen.«
    »Was meinst du mit ›anderen Dingen‹? Mich?«
    »Na ja …«
    »Sag’s nicht, ich finde es schrecklich, wenn Mädchen das sagen.«
    »Was?«
    Sagan holte tief Luft. »Das Wort, das mit ›F‹ anfängt.«
    Ich sagte das Wort, das mit »F«

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