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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Dinge.«
    »Aber sie achten sehr wohl darauf, nicht gefasst zu werden«, entgegnete Donne. »Anton hat trotzdem Recht. Die perdus leben eher nomadisch. Sie ziehen in ländlichen Gegenden von einem Ort zum anderen und von Stadt zu Stadt. Wir – die soleils  – sind wahrscheinlich sogar mehr als sie. Aber man braucht stets mehr gute Leute, um die Bösen in Schach zu halten. Denn die Bösen leben ohne Regeln. Psst!«
    Vor uns bewegte sich etwas. Da ich ihnen so aufmerksam zugehört hatte, war mir entgangen, dass wir inzwischen an kleinen, coolen Geschäften vorbeikamen: Second-Hand-Buchläden, Bioläden, Restaurants, in denen seltsame Gerichte mit Zutaten wie Tofu und Soja serviert wurden.
    Jetzt sah ich die Person, die Donne beobachtete. Es handelte sich um einen älteren, müde wirkenden Mann, der die stummen Zeitungsverkäufer an der Straßenecke mit der Morgenzeitung füllte. Sonst war niemand in Sichtweite, nicht ein einziges Licht. Er schien ungefähr so alt zu sein wie der Rektor unserer Schule, Ende fünfzig vielleicht. Obwohl es alles andere als kalt war, trug er eine dicke blaue Jacke. Wir waren noch ungefähr hundert Meter von ihm entfernt, aber ich konnte hören, wie er in seine Hand hustete.
    Ich überlegte, was ich sagen könnte, um sie aufzuhalten. Der Gedanke, sie anzugreifen, während sie über den armen Kerl herfielen, behagte mir gar nicht.
    »Aber … was ist, wenn die Person krank ist oder so was? Wenn sie einen tödlichen Virus in sich trägt?«, fragte ich. »Stecken wir uns dann nicht an?«
    Dieses Mal lachten beide Vampire. »Du bist wirklich eine innocente «, sagte Anton. »Auf einer Jagd dieser Art war ich schon eine Weile nicht mehr. Das wird lustig!«
    »Sie sind diejenigen, die sich wegen einer infection Sorgen machen müssen, findest du nicht?«, kicherte Donne. »Glaubst du, dass du die Erste bist, die diese Frage je gestellt hat? Als könnten menschliche Viren uns irgendetwas anhaben.«
    Mir lag noch eine andere Frage auf der Zunge: »Ihr habt gesagt, ihr wüsstet nicht, ob wir eines natürlichen Todes sterben können. Aber können wir … getötet werden?«
    »Zu Hunderten«, antwortete Anton. »Während des Krieges …«
    »Natürlich können wir sterben«, unterbrach ihn Donne und warf Anton einen bösen Blick zu. »Wir sind Lebewesen, keine Untoten. Das ist Quatsch.«
    »Man kann uns das Herz oder irgendein anderes der lebenswichtigen Organe rausnehmen, uns den Kopf abschlagen, uns zweiteilen, die Möglichkeiten sind zahlreich«, zählte Anton auf. »Es ist schwierig, aber es geschieht dauernd. Doch wir sollten uns jetzt konzentrieren. Ich habe Hunger.«
    Bei den Worten fletschte er die Zähne, messerscharfe Reißzähne sah ich jedoch nicht.
    Genau wie Donne und Anton blickte ich wieder zu dem Alten bei den stummen Verkäufern. Gewissenhaft öffnete er jedes Fach, warf die alten Zeitungen fort, steckte die neuen hinein und schlug die Klappe dann wieder zu. Er schien ganz bei der Sache zu sein und hielt seinen Kopf gesenkt. Ein leichtes Ziel. Viele Fluchtmöglichkeiten schienen sich ihm nicht zu bieten; ich sah ein Auto, einen kleinen weißen Toyota, ein Stück weiter die Straße hinauf. Qualm kam aus dem Auspuff. Aber der Wagen stand viel zu weit entfernt, als dass er ihn würde erreichen können. Ich merkte, wie Anton und Donne immer angespannter wurden, je mehr wir uns näherten.
    »Wartet mal«, versuchte ich sie zu bremsen. »Stürzen wir uns einfach auf ihn und reißen ihm die Kehle raus? Das ist krank …«
    Ihre Aufmerksamkeit war so sehr auf ihr Ziel gerichtet, dass sie mich gar nicht wahrnahmen. Die verschiedensten Gedanken schwirrten mir durch den Kopf … sollte ich sie mir beide schnappen – sie waren kleiner als ich – und dem Alten zurufen, er müsse schnell in seinem Auto verschwinden? Doch ich wusste, dass er keine drei Schritte weit kommen würde.
    Oder ich rannte einfach weg. Haute ab. Anton und Donne würden mich nie einholen. Ich war zehnmal sportlicher als sie. Außerdem waren sie ausgehungert. Sie brauchten etwas zu essen. Doch diese Vorstellung widerstrebte mir.
    Was aber sollte ich tun? Den Mann einfach sterben lassen? Allerdings taten sie so etwas wahrscheinlich jede Nacht. Wenn ich ein Leben rettete, was wäre dann? Sie würden sich einfach ein anderes Opfer suchen. Der Gedanke machte mich wahnsinnig. Unterdessen näherten wir uns immer weiter. Der Mann schlug eine Klappe nach der anderen zu und war vollkommen ahnungslos.
    Dann, als wir nur

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