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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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mit dir, Lena?«
    »Sie fastet doch noch«, sagte Donne.
    »Ach ja«, antwortete Anton und sah mich an, als schuldete er mir eine Erklärung. »Lena ist phänomenal. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so lange ohne aushält wie sie.«
    »Jetzt stell dein Licht nicht unter den Scheffel«, tadelte Lena und nickte in Donnes Richtung. »Wir alle fasten bisweilen, Emma. Das gehört zu unserem Umgang mit … mit der Sache. So kann man es vielleicht sagen. Es ist Teil unseres Lebens. Statt uns von unserer Gier beherrschen zu lassen, kontrollieren wir unseren Hunger, basierend auf unserem Glauben und unserem Willen. Das bedarf einer gewissen Übung, aber mit der Zeit ist es machbar.« Sie sah Anton an. »Bleibt nicht zu lange unten, denkt an das Morgengrauen.«
    »Keine Sorge. Wir brauchen nicht lange. Komm«, rief Anton und zog mich hinter sich her. »Wir zeigen dir genau, wie es geht. Nur wenige Dinge im Leben sind aufregender als eine chasse de sang kurz vor Tagesanbruch.«
    Ich ließ mich vom Steinhaus-Hotel fortziehen. Die Gedanken wirbelten wild in meinem Kopf umher. Ich merkte, dass wir in Richtung der Straße unterwegs waren. Durch den Wald ging es hangabwärts. Schon bald konnte ich Lena nicht mehr sehen, nur die Steinblöcke hoben sich noch vor den dunklen Bäumen ab. Wenig später rannten wir bereits.
    Das darf nicht wahr sein , dachte ich. Ich war auf dem Weg nach Huntsville, um von einem unschuldigen Opfer Blut zu trinken?
    »Wartet«, rief ich, »Bitte. Ich glaube, ich bin noch nicht so weit.«
    Anton lachte. »Oh doch, du bist so weit, keine Sorge. Du hättest mich beim ersten Mal sehen sollen. Ich weiß nicht, was ich ohne Lena gemacht hätte! Ich hatte panische Angst, wenn du die Wahrheit wissen willst.«
    »Aber … wie kann ich … ich kann nicht«, sagte ich.
    »Du kannst«, unterbrach Donne mein Stammeln und sah mich scharf an. »Wenn nicht, dann … na ja, dann wissen wir Bescheid.«
    »Was wisst ihr dann?«
    »Dass du keine Freundin bist. Vielleicht hast du Angst davor, dass wir dir beim Trinken zuschauen. Das könnte dich verraten … vielleicht bist du sogar eine Spionin der perdus. «
    »Unsinn«, rief Anton lachend. »Es ist vollkommen offensichtlich, dass sie keine Spionin ist.«
    »Halt den Mund, Anton«, rief Donne.
    Jetzt griffen sie beide nach meinen Händen und sausten mit mir weiter den Berg hinab. Beim Rennen schmiedete ich die albernsten Pläne, wie ich ihnen entkommen oder sie vielleicht sogar vom Töten abhalten könnte.
    Viel zu schnell wurde der Wald lichter und der Untergrund begann flacher zu werden. Bald kamen wir an Häusern vorbei, die in die felsige Landschaft gebaut waren. Vor uns waren Straßenlaternen. Sie beleuchteten einen älteren Stadtteil. Die beiden Vampire ließen mich los und wir wurden langsamer, auch wenn wir noch immer viel schneller unterwegs waren, als Menschen gehen würden. Wie Quecksilber bewegten wir uns durch die Straßen. Wegen der nachtschlafenden Zeit war alles totenstill. Fenster waren dunkel, Terrassenlichter ausgeschaltet.
    »Es gibt einen Trick, wie man le trajet erhält«, erklärte Donne ruhig. »Das Jagen um diese Zeit ist schwieriger. Weil nicht so viel Leute unterwegs sind. Aber genau deshalb haben wir sie uns ausgesucht. Wer nach Mitternacht auf der Straße ist, gehört einem bestimmten Typ Mensch an. Die meisten sind ungebunden. Jung. Alleinlebend.«
    »Oder sie sind älter«, ergänzte Anton. »Und haben nicht viele oder überhaupt keine Freunde. Arbeiten in einsamen Nachtjobs, weil sie Leute sind, die nicht mit anderen zusammen sein wollen.«
    »Oder es sind Leute, die so anders sind, dass andere nicht sehen sollen, wie anders sie sind«, fuhr jetzt wieder Donne fort. »Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Leute uns verraten, ist deutlich geringer. Und wir wechseln: verschiedene Straßen, andere Stadtteile. Gegenden, wo öfter unerklärliche Dinge geschehen, aber selten infrage gestellt werden.«
    Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich sie so über Menschen reden hörte … Menschen, die wir überfallen würden! Ich dachte an Sagan … er war jemand, der spät nachts noch unterwegs war. Und er war weder einsam noch seltsam. Nur hatte er tagsüber keine Zeit, seiner geliebten Kometenjagd nachzugehen. Was war mit seiner Familie? Was wäre, wenn die Vampire zum Beispiel über eine seiner Schwestern herfielen? Was dann?
    »Die perdus müssen deshalb immer weiterziehen«, erklärte Anton. »Sie achten nicht auf solche

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