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Verlieb dich nie in einen Vargas

Verlieb dich nie in einen Vargas

Titel: Verlieb dich nie in einen Vargas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Ockler
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hinreißend. Er war …
    Wild … immer schon mit einem Bein zur Tür hinaus.
    Bald auf und davon.
    Und mehr als das familiäre Erbe und der Schwur und die vielen Warnungen, war das Emilio Vargas’ entscheidender Schönheitsfehler.
    »Es ist direkt da vorn«, sagte Emilio, und ich folgte dem weißen Schimmer seines T-Shirts tiefer in den Wald hinein, bis wir auf eine Lichtung traten, die von hohen Espen mit silberner Rinde umringt war. Es war ein heiliger Ort, eine vollendete, makellose Schöpfung, die nicht dazu bestimmt war, von unseren menschlichen Augen gesehen zu werden.
    »Bist du mit deinem Cousin hierhergekommen?«, fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe noch nie jemanden mit hergenommen.«
    Ich sah ihm in die Augen und wartete auf einen Scherz über Rosette oder irgendein anderes Mädchen, aber es kam keiner, und dann trat er näher und umfasste mein Kinn und hob es sanft zum Himmel an.
    »Der große Bär«, flüsterte ich. Wie alles andere hatte auch das Sternbild an magischer Strahlkraft gewonnen. »Araceli hatte ein Teleskop, als wir Kinder waren – ich erinnere mich an ihn.«
    »Ich kann mir die Namen nie merken«, sagte Emilio. »Der hier … der große Bär? Er folgt mir überallhin. Er liefert sich ein Wettrennen mit mir auf der Straße. Ich meine, nicht wirklich. Ich habe nur dieses Gefühl, wenn ich nach oben blicke und er immer da ist, so auf die Art … Hey! Ich behalte dich im Auge! Ich weiß auch nicht … es ist schwer zu erklären.«
    Er geriet ins Stottern, als ich mit Schweigen reagierte, vielleicht, weil er es fälschlicherweise für Irritation oder Langweile oder eine Wertung hielt, doch als ich ihn erneut ansah, waren meine Augen feucht, und ich wusste, er hatte es gesehen, denn er hörte auf zu stammeln.
    Etwas geschah in dem Moment mit uns, und mein Herz kickstartete, und ich lächelte.
    »Keine Angst mehr davor, was alles passieren könnte?« Er hakte den Finger in eine meiner Gürtelschlaufen und zog mich näher. Unsere Beine berührten sich fast, alles war heiß und aufgeladen.
    »Das ist das zweite Mal heute, dass du mich allein in den Wald gezerrt hast«, sagte ich. »Niemand weiß, dass wir hier sind, und ich habe noch immer nichts Süßes bekommen.«
    Er legte seine Arme um meine Taille und sah mir tief in die Augen, ohne zu blinzeln.
    »Also«, meine Stimme zitterte, »du hast gar nichts Süßes dabei, oder?«
    Seine Finger glitten über die Blume in meinen Haaren, strichen mir eine lange, gelockte Strähne hinters Ohr. Unsere Beine berührten sich nun. Alles berührte sich, Stoff an Stoff und Haut an Haut, jeglicher Raum zwischen uns war ausradiert. »Nö.«
    Momente wurden zu Äonen und seine Hände waren in meinen Haaren vergraben. Um uns herum stimmten die Grillen und Frösche wieder ihr nächtliches Konzert an. Der gesamte Wald schien sich zu öffnen, im Dunkeln zu erblühen.
    »Dein Herz schlägt wie verrückt«, raunte er. Finger strichen über mein Schlüsselbein, pochten sanft. »Ba-bum. Ba-bum.«
    Ich schluckte und sah ihn unverwandt an. Sein Atem traf auf meine Haut, sanft wie eine Brise, und meine Lippen vermeinten ihn bereits zu schmecken. Mein Mund wurde wässerig, und etwas stieg wirbelnd von einem Ort tief in mir empor, und mein Herz vollführte weiter seinen wilden Tanz unter seinen Fingerspitzen, und mein ganzer Körper schm erzte vor Verlangen, ihn zu berühren, ihn an mir zu spüren.
    Ich war noch nie im Leben so berauscht gewesen.
    Ich hatte noch nie so viel Angst verspürt.
    »Wir sollten gehen«, sagte ich. Die Bäume raschelten über unseren Köpfen, das Laub der Espen zitterte, und ungeachtet der Wärme zwischen uns erschauerte ich. »Es ist spät und … wir gehen besser. Mari wartet sicher schon auf mich.«
    Emilio strich meine Haare glatt, besänftigte die Strähnen, die durch seine Berührung außer Rand und Band geraten waren. Er hielt meinen Blick noch einen Moment länger fest, und ich dachte, er würde womöglich noch etwas sagen, aber er lächelte bloß und nahm meine Hand und führte uns von diesem magischen, wunderschönen Ort fort, zurück durch den Wald, und ich sah ein letztes Mal zum Großen Bären auf und seufzte.
    »Das sieht gut aus, das sieht gut aus!« Papi klatschte in die Hände, und ich fuhr zusammen, dergestalt in die Gegenwart zurückgerissen. Zurück in den staubigen Schuppen, zu den Motorradteilen und der strahlend gelben Sonne, die draußen schien.
    »Meinen Sie, sie ist so weit, ein wenig Krach zu machen?« Emilio

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