Verlieb dich nie in einen Vargas
gehört.
Ihre Regeln über Jungs befolgt.
Ich sah an mir hinunter. Ich trug ein altes ärmelloses Top mit U-Boot-Ausschnitt aus Celis Schrank, verwaschene olivenfarbene Cargoshorts aus Maris Sommervorrat. Selbst die Flipflops waren an mich weitergereicht worden, ein verblichenes altes Paar mit fehlenden Pailletten, das ich in einem unbeschrifteten Karton voller Spielsachen entdeckt hatte.
Emilio war der Meinung, ich ließe Mari die Entscheidungen für mich treffen und mir von ihr sagen, wie ich mein Leben zu führen hatte. Und vielleicht hatte er recht.
Vielleicht wusste ich nicht, wie ich es selbst tun sollte.
»Du hast deinen Paps glauben lassen, dass dir diese Sache etwas bedeutet«, fuhr er fort. »Ich habe gesehen, wie er dich ansieht. Er strahlt wie ein Weihnachtsbaum, wenn du in der Nähe bist. Und jetzt lässt du zu, dass deine Schwester ihm das Motorrad unterm Hintern weg verkauft? Bevor ich überhaupt damit fertig bin? Ich dachte, wir hätten eine Abmachung.«
Eine Abmachung . Seine Sorge galt mehr als alles andere dem Motorrad. Seinem Job. Seinem Geld. Hitze kochte in mir hoch, sprudelte in meine Kehle. »Angst, dass du jetzt nicht genug Kleingeld für deine Tour zusammenbekommst? Tja, entspann dich, Emilio Vargas. Ich bin überzeugt, mein Vater wird dich voll entlohnen.«
Emilios Augen weiteten sich, seine Mundwinkel verzogen sich zu einem gequälten Grinsen. In seinen Augen stand kein Lachen mehr. Nur Enttäuschung, deren dumpfer Schmerz in meiner Brust widerhallte, als er ohne ein weiteres Wort davonging, obwohl die Hälfte seiner Werkzeuge noch immer auf dem Boden verstreut lag.
19
»Ein weiterer Streit unter Liebenden?« Mari hielt eine Zigarette an die aufgedrehte Herdplatte und saugte, bis sie Feuer fing. Es war ein Wunder, dass dieses Mädchen noch Augenbrauen besaß.
»Es ist kein Streit unter Liebenden«, sagte ich. Emilio hatte seit unserem Krach Tag für Tag mit Papi zusammengearbeitet – fünf, Tendenz steigend –, und bisher hatten wir es geschafft, uns komplett aus dem Weg zu gehen. Maris Motorradfreund hatte tags zuvor vorbeigeschaut, aber abgesehen davon, bei seinem kurzen Besuch Mäuschen zu spielen, hatte ich meine Zeit drinnen verbracht und letzte Hand an ein Erinnerungsalbum gelegt, das ich schon vor Monaten als Geburtstagsgeschenk für Zoe hätte fertig basteln müssen. »Ich will nur nicht mit ihm reden.«
»Also besteht dein großer Plan darin, ihn die ganze Woche lang vom Fenster aus anzustarren?«
Ich wich von der Fliegengittertür zurück und setzte mich an den Küchentisch. »Ich habe nach Pancake Ausschau gehalten.«
Nach mir? Mir? Meinst du mich, Jude? Mich? Oder hast du echte Pfannkuchen, die du mit mir teilen möchtest? Der Hund, der die ganze Zeit über in der Küche gewesen war, trottete zu mir und stupste meine Hand mit der Schnauze an.
»Juju …« Mari musterte mich mit einem ihrer unnachgiebigen Blicke. »Verliebst du dich gerade in ihn?«
Ich rollte mit den Augen. »Also erstens bist du auf dem Holzweg. Und zweitens vollkommen verrückt.«
Sie blies eine Rauchwolke in Drachengestalt zum Fenster über der Spüle hinaus. »Ich habe genug Bücher über verliebte Teenager gelesen, um die Anzeichen zu erkennen.«
»Tja. Emilio und ich sind weder Werwölfe noch gefallene Engel, also hat sich die Sache damit.«
»Ich meine ja bloß …«
»Und wo ist der andere Typ? Sollte das Ganze nicht eine Dreiecksgeschichte mit unglaublich heißen Jungs oder Vampiren sein, die sich nach mir verzehren?«
»Ich mache mir Sorgen um dich, das ist alles.« Ihre Stimme war sanft, beinah beschützend. »So ist es nun mal mit den Vargas-Jungs, Jujube. Kommen Gefühle ins Spiel, suchen sie das Weite.«
Emilios Worte erschallten in meinem Kopf. Und deswegen darf sie die Entscheidungen treffen? Dir vorschreiben, was du zu tun hast? Mit wem du zusammen sein darfst?
»Es sind keine Gefühle im Spiel«, sagte ich. »Er sucht nicht das Weite. Er arbeitet.«
»Du musst das beenden, bevor …«
»Du stinkst schon von hier drüben aus wie ein Aschenbecher. Papi wird dich jeden Moment erwischen.«
Mari sah mich aus schmalen Augen an, ein Warnschuss, der meinen Kopf streifte. Sie drückte sich den Hintern an der Spüle platt, stieß eine letzte Rauchwolke aus und durchwühlte die Schubladen der Küchenschränke.
Sie förderte ein halb abgebranntes Streichholzbriefchen und eine von Moms alten Jungfrau-Maria-Kerzen zutage und setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch. Die
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