Verlieb dich nie in einen Vargas
grätschte die Beine über dem Rahmen der Harley. Er hatte sie von der Hebebühne geschoben, und sie wirkte wie etwas aus Der Terminator . Ein Skelett aus Metallknochen und Schrauben, ohne Sitz und Verkleidung.
»Sie ist so weit.« Papi sprühte vor Aufregung: Seine Augen funkelten, seine Wangen besaßen eine gesunde rosa Farbe, jeglicher Hinweis darauf, dass ihm das Feuerwerk zu viel gewesen war, gehörte der Vergangenheit an.
Emilio drehte den Schlüssel, um den Zündschalter zu aktivieren. »Trommelwirbel bitte.«
Papi und ich machten Drrrr und trommelten uns auf die Oberschenkel. Wir waren nicht gerade die Schlagwerkzeuger der Colorado Symphoniker, und Papis Versuch war mehr Spucken als Zungenrollen, aber Emilio lächelte. Er blickte zur Decke hoch, sprach ein kurzes Gebet und sprang mit seinem ganzen Gewicht auf den Kickstarter. Das Motorrad hustete und erzitterte, und dann …
Nichts.
Emilio sprang wieder.
Ein weiteres Husten, ein weiteres Nichts.
Papi und ich stellten die Soundeffekte ein. Nach zwei weiteren vergeblichen Versuchen hüpfte Emilio von der Maschine. Er kniete sich neben sie, machte sich an ein paar Rohren zu schaffen, rüttelte daran, kniff die Augen zusammen, kratzte sich am Kopf.
Papi hatte das Grollen dieses Motors seit mehr als drei Jahrzehnten nicht vernommen und seine Vorfreude sprühte knisternd Funken wie ein Wetterleuchten in den Bergen. Ich verschränkte meine Finger mit seinen und drückte seine Hand, während ich gleichzeitig Emilio zunickte, es erneut zu versuchen.
»Komm schon, Baby.« Er tätschelte die Maschine voller Zuneigung, als er das Bein zurück über den Rahmen schwang. »Los geht’s.«
Papi zerquetschte mir fast die Hand.
Emilio sprang.
Traf den Kickstarter.
Das Motorrad hustete.
Der Motor stotterte.
Alles zitterte und wackelte.
Nach dreißig Jahren Stille erwachte Papis Valentina röhrend zum Leben.
Ich jauchzte auf und warf mich in Papis Arme. Er konnte nicht jauchzen, nur den Mund auf und zu machen wie ein Fisch, und seine Augen schimmerten feucht vor Ergriffenheit.
Emilio ließ sich vom Motorrad gleiten und lehnte es nach wie vor grollend auf seinen Ständer.
»Willkommen zurück, altes Mädchen.« Papi presste seine Hand gegen die Maschine. Valentina, das zimperliche alte Mädchen, erwiderte seine liebevolle Begrüßung mit einem Husten und einem Stottern und einem letzten Aufkeuchen.
Einmal mehr herrschte an diesem Tag Stille.
»Keine Sorge, el jefe «, sagte Emilio. »Der erste Atemzug nach dreißig Jahren? Sie würden wahrscheinlich auch ein bisschen husten.«
»Sehe ich so aus, als machte ich mir Sorgen?« Papi winkte ab. »Quatsch. Weißt du, wie oft sie mich auf der Straße auf die Probe gestellt hat? Öfter, als ich mich erinnern kann, selbst wenn ich mich daran erinnern könnte .«
»Papi!« Ich verdrehte die Augen.
»Das ist die Wahrheit, querida . Ein Mal, an das ich mich erinnere, überraschte uns ein Unwetter in der Nähe von Mendoza.«
Wir hatten die Gegend vor ein paar Sommern zu Lourdes’ und Alejandros Hochzeit besucht – dort haben sie ihr Weingut.
»Jede Menge Berge, so wie hier«, erzählte Papi Emilio. »Und die Gewitter? Junge. Ich brachte Valentina bis ans Limit, um uns von dem Hügel runterzubekommen, aber sie war damit ganz und gar nicht einverstanden. Ich blieb dort oben liegen. Zum Glück stieß ich auf ein paar nette Menschen, die mich bei sich aufnahmen, und sie hatten eine Tochter in meinem Alter … also hatte ich viel Spaß bei ihnen.«
»Ich dachte, du hattest Mom im Diner kennengelernt?«, fragte ich.
» ¿Que ?« Papi tippte sich an die Stirn, seine Ohren waren plötzlich ganz rot. »Weißt du was, ich glaube, ich habe da vielleicht etwas durcheinandergebracht.«
»Es war nicht Mom?«
»Es ist lange her, querida . Lass es uns dabei belassen.«
Er lachte, und Emilio wandte sich wieder dem Motorrad zu, aber ich war immer noch damit beschäftigt, Bilder von Papi und einem anderen Mädchen aus meinem Kopf zu verjagen. Es war schwer, nicht zu vergesssen, dass er ein vollkommen anderes Leben geführt hatte, bevor er Mom geheiratet hatte, bevor er uns bekam.
Ich frage mich, wen er zuletzt vergessen wird.
»Sei nicht traurig, Jujube.« Papi umarmte mich mit einem Arm und zog mich an sich. »Mit ihr ist alles in Ordnung. Sie braucht nur ein bisschen Zeit, das ist alles. Sie wird schon wieder.«
»Wer?« Mari schlenderte mit Pancake an ihrer Seite zur Schuppentür herein. Sie waren fast den ganzen Tag
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